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Deutschland hat Gasreserven für mehr als 100 Jahre

Unter NRW schlummert Gas für Jahrzehnte

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Fracking In California Under Spotlight As Some Local Municipalities Issue Bans Foto: getty
Nordrhein-Westfalen könnte die deutsche Gasversorgung für lange Zeit sicherstellen und größter Gasproduzent der Bundesrepublik werden. Doch diese Reserven können zunächst nur mittels des umstrittenen Frackings angezapft werden. Die Vorbehalte davor sind groß.

Essen. 

SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hält nichts vom Fracking im Energieland NRW. Die schwarz-rote Bundesregierung nennt das Herausbrechen von Erdgas aus den Tiefen des Gesteins mittels eines Wasser-Chemie-Cocktails „eine Technologie mit erheblichem Risikopotenzial“ für die Umwelt.

Der rot-grün regierte deutsche Erdgas-Gigant Niedersachsen dagegen will Fracking unter Auflagen jetzt erlauben. Warum ist Fracking eigentlich so umstritten? Fragen und Antworten.

Wie viel unkonventionelles Erdgas schlummert im Boden unter NRW?
Nach Erkenntnissen des Landesbetriebs Geologischer Dienst NRW gibt es rund 220 Milliarden Kubikmeter Flözgas, hauptsächlich in den bis zu 4000 Metern unterhalb des Münsterlandes liegenden Kohleflözen. Das sind deutlich mehr als die gesamten bekannten konventionellen Gasreserven Deutschlands von 150 Milliarden Kubikmetern. Nordrhein-Westfalen könnte durch Fracking also auf einen Schlag größter deutscher Gasversorger werden.


Wie lange reichen die deutschen Erdgasreserven?
Bei einer aktuellen Förderquote von zwölf Milliarden Kubikmetern jährlich maximal 15 Jahre. Danach wäre Deutschland komplett auf Gasimporte angewiesen. Mit dem NRW-Flözgas würde sich diese Zeitspanne mehr als verdoppeln.


Könnte man die Gasvorkommen auch ohne Fracking erschließen?
Im Prinzip ja. Gerade beim sogenannten Flözgas dürfte die Chance der Förderung auch ohne Fracking groß sein, schätzt der Geologische Dienst. Die Kohle muss dafür spröde genug sein, damit sich die durch die Bohrung verursachten Risse im Gestein von selbst erweitern und das Gas abgesaugt werden kann. In Schottland gibt es bereits eine Förderanlage nach diesem Verfahren.


Gibt es noch weitere unkonventionelle Erdgasvorkommen?
Ja. Vom sogenannten Shale-Gas, das in Ton-, Tonstein- und Schieferschichten vorkommt, gibt es bundesweit rund 1300 Milliarden Kubikmeter, die als förderbar gelten. Rechnet man das NRW-Flözgas hinzu, hätte Deutschland bei aktuellem Verbrauch also Gasreserven für über 100 Jahre.


Wie gefährlich sind die chemischen Zusätze beim Fracking?
Nicht gefährlicher als das Salz in einer Nudelsuppe, meint Volker Wrede, Fachbereichsleiter beim Geologischen Dienst NRW. „Auch Salz ist toxisch, wenn man es konzentriert zu sich nimmt“, so der Geologe. In der Suppe sei es kein Problem. So verhalte es sich auch mit den chemischen Zusätzen beim Fracking. Umweltschützer und Vertreter der Wasserwirtschaft sehen das naturgemäß anders. In seinem Gutachen über mögliche Auswirkungen des Frackings im Einzugsgebiet der Ruhr spricht das Rheinisch-Westfälische Institut für Wasser in Mülheim von „hohen wasserwirtschaftlichen Risiken“. Auch der Umweltrat der Bundesregierung hat sich klar gegen das Fracking ausgesprochen.


Gibt es sanftere Formen des Frackings?
Ja, sagt Experte Wrede. Die sogenannten Fracfluide, mit denen das Gas aus dem Gestein gelöst wird, enthalten unter anderem Biozide, die die Entwicklung von Bakterien in großer Tiefe verhindern sollen. Stattdessen könne das Wasser aber auch mit Hilfe von UV-Strahlen desinfiziert werden, bevor es in den Boden gepresst werde. Bekannt ist allerdings auch, dass beim Fracking zahlreiche weitere Zusatzstoffe zum Einsatz kommen.