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Der weltgrößte Industrieverdichter kommt aus Oberhausen

Weltgrößter Luftzerleger kommt aus Oberhausen

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Foto: Fabian Strauch
MAN Diesel & Turbo baut in Oberhausen den weltgrößten Industrieverdichter. Die Anlage zerlegt Luft und ist Teil eines Werks für Kohleverflüssigung.

Oberhausen. 

Die Erdölvorkommen reichen noch 50 Jahre. Die Kohlevorräte gelten als sehr viel größer und sollen noch 150 Jahre halten. Experten räumen der Kohleverflüssigung deshalb gute Zukunftschancen ein. Doch bevor das schwarze Gold als Sprit in den Tank kommen kann, müssen große Mengen Sauerstoff gewonnen werden. Das Oberhausener Werk von MAN Diesel & Turbo liefert dafür gigantische Luftzerlegungsanlagen.

In der Produktionshalle im Stadtteil Sterkrade steht die Airmax-Apparatur gerade auf dem Prüfstand. Fachleute von MAN testen sie auf Herz und Nieren. Die Luftzerlegungsanlage soll zu einem Kunden nach Südafrika geliefert werden. Vor der Verschiffung müssen Dampfturbine, Kompressoren, und Nebenaggregate wie Kühler oder Ölversorgung allerdings erst wieder auseinandergebaut werden, um auf die lange Reise zu gehen.

Kohleverflüssigung in Südafrika und China

„In Südafrika wird rund ein Drittel des benötigten Kraftstoffs aus der Kohleverflüssigung gewonnen“, sagt Lothar Wallscheid, der als „Segmentleiter Prozessindustrie“ bei MAN Turbo alles über Luftzerlegungsanlagen weiß. In Südafrika gibt es wie in China gewaltige Kohlevorkommen, die leichter abzubauen sind als etwa in Deutschland. „Kohleverflüssigung hat dort auch eine große Bedeutung, weil der entstehende Kraftstoff vor Ort günstiger ist als Kraftstoff aus Erdöl und zudem eine geringere Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten bedeutet“, so Wallscheid.

Obwohl Kohleverflüssigung in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg kaum noch eine Rolle spielt, wurde die Technik im Ruhrgebiet erfunden. Das Fischer-Tropsch-Verfahren wurde von Franz Fischer und seinem Mitarbeiter Hans Tropsch in Mülheim vor 1925 entwickeltund ab 1934 von der Ruhrchemie in Oberhausen angewandt (s. Info-Box). Um Kohle in einen flüssigen Zustand zu versetzen, sind große Mengen Sauerstoff erforderlich, die MAN Diesel & Turbo mit seinen Luftzerlegungsanlagen herstellt. Nicht ohne Stolz sagt Segmentleiter Wallscheid: „Der Auftrag für Südafrika ist der größte Industrieverdichter der Welt.“

MAN-Turbomaschinen aus Oberhausen

Das MAN Diesel & Turbo-Werk in Oberhausen mit seinen rund 2000 Mitarbeitern hat sich unter anderem auf diese großen Verdichter spezialisiert. Für die Geschäftseinheit Turbomaschinen mit insgesamt 4500 Beschäftigten und 1,2 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2015 ist Oberhausen der Hauptstandort im MAN-Konzern. Hier werden aber auch Dampfturbinen entwickelt und produziert. Ein wachsendes Feld ist der Service.

Die Konjunktur für Luftzerleger, die zur Kohleverflüssigung eingesetzt werden, hängt immer auch vom Ölpreis ab. Dass er so lange auf einem historischen Tiefstand lag, bekommen auch die Oberhausener zu spüren: „Aktuell kommen im Bereich Luftzerlegung nur wenige neue Aufträge herein“, sagt Segmentleiter Wallscheid. Die MAN-Belegschaft ist allerdings gut mit den laufenden Großprojekten für Südafrika und China beschäftigt. Bis zu zwei Jahre gehen von der Bestellung bis zur Inbetriebnahme ins Land.

Prozess braucht große Mengen Sauerstoff

Da bei der Kohle-Verflüssigung große Mengen Sauerstoff gebraucht werden, kommt es auch auf die Leistungskraft der Luftzerlegungsanlagen aus Oberhausen an. Die Werke entstehen in der Regel dort, wo auch Kohle abgebaut wird. Das spart lange Wege. Große Mengen Luft werden aus der Atmosphäre angesaugt, in einem Verdichter stark komprimiert, gekühlt und dann entspannt, um so die Luft am Ende des Prozesses zu 71 Prozent in Stickstoff und zu 29 Prozent in Sauerstoff zu zerlegen. „Wir können ein Volumen von 1,5 Millionen Kubikmetern Luft pro Stunde auf ein Niveau von fünf bar verdichten – als Beispiel saugt man den Kölner Dom damit in wenigen Minuten leer“, so Wallscheid. Die Luftzerleger liefert MAN Diesel & Turbo in alle Teile der Welt. Der Segmentleiter unterstreicht aber: „Wir entwickeln sie zu 100 Prozent in Deutschland und auch die Fertigung erfolgt großenteils hier im Land.“

Eine Erfindung aus Mülheim

Um sich von Ölimporten unabhängig zu machen, setzen vor allem China und Südafrika auf die Verflüssigung von Kohle. Bei der sogenannten Fischer-Tropsch-Synthese, die um 1925 am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim entwickelt wurde, wird Kohlestaub mit Wasserdampf und Sauerstoff auf über 900 Grad erhitzt.

Aus dem Gemisch bildet sich ein Synthesegas, das in einem zweiten Schritt verflüssigt wird. So entsteht ein kohlenwasserstoffhaltiger, synthetischer Treibstoff, der als sehr rein gilt, weil er keinen Schwefel enthält. Die Substanz kann konventionellem Sprit beigemengt werden oder aber direkt in den Auto- oder Flugzeugtank gepumpt werden.