Eine Expertenkommission des Bundestages hat jüngst gefordert, das umstrittene Erneuerbare Energien Gesetz EEG abzuschaffen. Gute Idee?
Schmidt: Wir – und damit meine ich sowohl das RWI als auch den Sachverständigenrat – fordern das schon lange. Wenn wir eine Energieversorgung wollen, die vor allem auf erneuerbare Energien baut, dann wäre es das Beste, sie auf europäischer, besser noch auf globaler Ebene zu organisieren. Dafür bräuchte es ein vernünftiges europäisches Emissionshandelssystem. Eine nationale Maßnahme wie das EEG kann bestenfalls ein kleiner Zusatz sein, um ein bisschen Technologieförderung zu betreiben. Unser Rat an die Politiker: Hört wenigstens für den Augenblick damit auf, macht ein Moratorium. Fragt euch mal, wie eigentlich das Marktdesign der Zukunft aussehen soll.
Bis 2030 werden 340 Milliarden Euro an Förderung in erneuerbare Energien geflossen sein – das ist annähernd das Dreifache der Steinkohlesubventionen der 1960er Jahre. Muss man da nicht von Politikversagen sprechen?
Meiner Ansicht nach ja, man hätte da vor einigen Jahren schon die Reißleine ziehen müssen. Die Ausbaukurve ging steil nach oben, das hätte man erkennen können. Jetzt hat man eine große Gruppe von Subventionsempfängern geschaffen. Und je mehr davon profitieren, umso schwerer wird es, das EEG abzuschaffen. Das gilt auch für die Bundesländer. NRW ist ja nicht nur Nettozahler im Länderfinanzausgleich, sondern auch beim EEG. Am meisten profitieren Bayern und Schleswig-Holstein. NRW ist am schlechtesten dran.
Aus dem umweltpolitischen Ziel wurde eine unsoziale Maßnahme?
Die verteilungspolitischen Konsequenzen der nicht sinnvoll umgesetzten Energiewende sind dramatisch. Wer hat denn beispielsweise ein Solarmodul auf dem Dach? Das sind überwiegend Eigenheimbesitzer und Landwirte. Der Wohnungsmieter in Gelsenkirchen profitiert sicher nicht von der Energiewende.
Sie sagen, man hätte die Fehlentwicklungen sehen können. War auch das Management des RWE-Konzerns blind?
Das ist schwer zu beurteilen. Natürlich greift die Energiewende das Geschäftsmodell von Konzernen an, die stark auf konventionelle Kraftwerke gesetzt haben. Betroffen sind aber auch die Stadtwerke hier vor Ort und am Ende die Kommunen selbst.
War es da nicht klug von Düsseldorf, sich frühzeitig von seinem RWE-Aktienpaket zu trennen?
Die Kommunen im Revier waren damals geschlossen dagegen, es Düsseldorf gleich zu tun. Das habe ich seinerzeit bereits für falsch gehalten. Trotzdem bedaure ich, dass sich meine Einschätzung jetzt in dieser harten Form bewahrheitet.
Kommt noch der Kauf des Essener Kraftwerksbetreibers Steag durch Revier-Stadtwerke hinzu.
Auch in dem Fall hatte ich vor den Risiken gewarnt. So etwas sollte man privaten Akteuren überlassen, die das Geschäft verstehen und das Risiko tragen können.
Noch immer bekommt das Ruhrgebiet eine Grippe, wenn Großkonzerne wie RWE und Thyssen-Krupp husten. Wie lautet Ihr Rezept?
Natürlich stehen die Großen im Fokus. Aber es gibt auch viele weniger bekannte Unternehmen, die die Wirtschaft im Revier tragen. Ich sehe fürs Ruhrgebiet keine andere sinnvolle Alternative, als sich weiter eisern als Wissensregion aufzustellen und die Hochschul- und Forschungslandschaft auszubauen. Wir müssen noch attraktiver werden für innovative Leute.
Stattdessen hat das Revier weiter ein Imageproblem. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat jüngst Zollverein als Armutssymbol entdeckt.
Das war sicherlich keine glückliche Motivwahl. Vor allem, wenn man weiß, dass dahinter eine missbräuchliche Verwendung von Statistik steckt. In Wahrheit ist das Revier gar nicht ärmer geworden, sondern einige andere Regionen reicher. Abgesehen davon halte ich trotz mancher Probleme unsere Region für äußerst lebenswert.