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Chinesen wollen Medion schlucken – die Traumhochzeit der PC-Schrauber

Chinesen wollen Medion schlucken

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Foto: WAZ FotoPool
Auch wenn der Medion-Vorstand nie ein Geheimnis aus seinen Plänen gemacht hat, ist dem Elektronikkonzern doch noch ein Überraschungscoup gelungen: Der größte chinesische Computerhersteller Lenovo soll Mehrheitsaktionär bei den Essenern werden.

Essen. 

Auch wenn der Medion-Vorstand nie ein Geheimnis aus seinen Plänen gemacht hat, ist dem Elektronikkonzern doch noch ein Überraschungscoup gelungen: Der größte chinesische Computerhersteller Lenovo soll Mehrheitsaktionär bei den Essenern werden. Und würde durch den Deal zum drittgrößten Computerhersteller weltweit aufsteigen – nach den US-Konkurrenten Dell und Hewlett-Packard. In Essen, versprechen Lenovo und Aldi-Lieferant Medion einmütig, wird sich nichts ändern. Der Vorstand bleibe im Amt – und die Zahl der Mitarbeiter, die solle sogar noch steigen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Medion-Vorstand um Gründer und Firmenchef Gerd Brachmann erklärt, man sei auf der Suche nach einem Partner, um sich fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen. „Wir haben mit einigen Unternehmen gesprochen“, sagte Medion-Finanzvorstand Christian Eigen. Namen wollte er nicht nennen. Mit Lenovo habe man den idealen Partner gefunden.

Und das Geschäft mit den Chinesen geht so: Medion-Mehrheitseigner Brachmann hält bislang 56,7 Prozent. Er verkauft zuerst 36,7 Prozent an Lenovo. Die Chinesen zahlen dafür 80 Prozent in bar, für den Rest gibt es Aktien am Konzern aus Fernost. Wert der Transaktion: 231 Millionen Euro. Brachmann, dem bodenständigen Unternehmer aus Essen, der sich nicht fotografieren lässt, der öffentliche Auftritte meidet und deshalb auch schon einmal als „Mann ohne Gesicht“ bezeichnet wurde, bleibt ein Anteil von 20 Prozent – späterer Verkauf nicht ausgeschlossen.

Analysten sehen ein gutes Geschäft

Um Medion komplett zu übernehmen, muss Lenovo inklusive Brachmanns Anteil rund 629 Millionen Euro in die Hand nehmen und die anderen Aktionäre des Essener Unternehmens überzeugen. Das dürfte allerdings kein Problem sein: Lenovo bietet 13 Euro pro Aktie. Den fairen Wert des Anteilsscheins, der gestern bis auf 13,30 Euro zulegte, sehen Analysten bei 10,50 Euro – ein gutes Geschäft. Lenovo erklärte, Verhandlungen mit einem weiteren Medion-Großaktionär liefen bereits: Der Investment-Fonds Orbis hält 15 Prozent.

Medion-Chef Brachmann und Finanzvorstand Eigen werden dem Unternehmen weitere fünf Jahre treu bleiben: Sie verlängerten ihre Verträge bis 2016. Und ließen sich laut Eigen größtmögliche Freiheiten zusichern: „Wir haben Garantien für den Standort Essen. Lenovo will uns so, wie wir sind.“ Ein Medion-Sprecher sprach sogar von Traumhochzeit – auch wenn vieles auf Vernunftehe hindeutet.

Eine Erfolgsgeschichte

Medion ist in Europa stark im Endkunden-Geschäft, verkauft die meisten seiner Computer und Fernseher an Ketten wie Media Markt und Discounter – vor allem Aldi. Lenovo ist stark bei Firmenkunden. Gemeinsam wollen die beiden Hersteller bessere Preise bei Lieferanten herausschlagen. Ein Wachstum über Europa hinaus schloss Medion-Vorstand Christian Eigen gestern aber aus: „Wir sind hier stark, das soll so bleiben.“

Dahinter steckt eine Erfolgsgeschichte, die in den 80er-Jahren beginnt: Brachmann, Jahrgang 1959 und gelernter Fernsehtechniker, kommt auf die Idee, preiswerte Elektroartikel aus Fernost zu importieren. Mit einem Posten Mikrowellen aus Korea soll alles angefangen haben. Der Essener und sein damaliger Partner Helmut Linnemann gehen auf Shopping-Tour in Fernost und verkaufen in Deutschland. Aber erst nach dem Ausscheiden von Linnemann nimmt das Geschäft Fahrt auf: Brachmann kommt mit Aldi ins Geschäft. 1996 steht der erste Billig-PC beim Discounter. Binnen Stunden wechseln 20 000 Computer den Besitzer. In der Folge bilden sich immer wieder lange Schlangen, wenn Aldi zum PC-Verkauf bittet.

Medion setzt mittlerweile auf Design – schicke Elektronik zum kleinen Preis. Brachmann, der als begnadeter Verkäufer gilt, hat sich trotz seines Erfolgs Bodenständigkeit bewahrt. Seine Öffentlichkeitsscheu begründete der vierfache Vater mit dem „Schutz seines Privatlebens“.