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Bürger bauen sich einen Windpark

Bürger bauen sich einen Windpark

Vor Jahrhunderten knirschten in Rheinberg noch die wuchtigen Holzzahnräder der Ossenberger Mühle. Die mächtigen Blätter des Windrades auf dem klobigen, weißen Türmchen kämpften Stürmen entgegen, übertrugen die Bewegung aufs Getriebe und sorgten für zermahlenes Getreide. Windkraft ist eine Jahrhunderte alte Technologie. Welche Entwicklung sie genommen hat, zeigt das, was sich nur wenige Meter gegenüber der traditionsreichen Mühle auftürmt: Der Bürgerwindpark Rheinberg, als „Bürgerwindräder Rheinberg GmbH & Co. KG“ betrieben, liefert Strom für 2000 Haushalte. Ein Konzept, das immer beliebter wird: Bürger als Teilhaber der Energiewende.

An diesem Tag schwingen die Räder des Parks fast geräuschlos durch die Luft. Das liegt allerdings nicht am Wind – heute fällt die Energiebilanz der fünf Anlagen vom Typ „E58“ sogar negativ aus. „Wir gewinnen erst ab deutlich über vier Meter pro Sekunde“, sagt Jens Harnack, Umweltmann der Stadt. Auf der Anzeige im Innern des Rads prangen nur 2,2 m/s; erbrachte Leistung: Null.


Die Räder müssten angetrieben werden, damit sie keine Schäden nehmen, sagt Geschäftsführer Michael Hoffmeister. Stromverbrauch am Windrad – an vielen anderen Tagen des Jahres sieht das in Rheinberg anders aus. Zwei unterschiedliche „Windgutachten“ mussten die Betreiber einholen, bevor die Anlage durchstarten konnte. Sechs Meter pro Sekunde sollten demnach durchschnittlich über die Felder wehen – oft liege der Wert aber knapp darunter, so Hoffmeister und Harnack.


Sie und 19 weitere Bürger aus Rheinberg und Umgebung beteiligen sich seit 2001 auf Initiative der Stadt an dem Projekt. Manche mit 2500, einer gar mit 100 000 Euro – insgesamt häuften die Beteiligten ein Eigenkapital von 375 000 Euro an. „Zu wenig“, wie Hoffmeister bilanziert. Denn allein die Räder kosteten fünf Millionen Euro – und tun es heute noch. „Wir werden alles wohl in rund acht Jahren abbezahlt haben.“

Darunter fallen auch die Kosten für Zufahrten, auf denen schwere Kräne fahren können, und Stromkabel, die unter Bächen und Vorgärten hergegraben werden mussten. Gesamtkosten: sechs Millionen Euro, ergänzt von jährlich 200 000 Euro für Versicherung und Reparatur. Demgegenüber steht ein Netto-Umsatz von 700 000 Euro – der „mit dem Wind steht und fällt“. Ein Riesengeschäft sei das nun wirklich nicht, so Hoffmeister. „Bei vielen spielt aber auch der ,grüne’ Gedanke eine Rolle.“

Mit der heutigen Technik könne man ein Vielfaches der rund sieben Gigawatt erzeugen, die derzeit pro Jahr zusammenkommen. Aber da bremse die Bevölkerung. „Uns war wichtig, dass wir nachhaltig und sozialverträglich bauen“, sagt Hoffmeister. Im Klartext: Kein Rad ist höher als 99 Meter, es entstehe nur wenig Lärm, und wenn die Räder ungünstig Schatten werfen, werde abgeschaltet. Deshalb hätten sich die Anwohner mit den Windrädern gut arrangiert, so Harnack.


Schließlich werfe das Projekt auch ein gutes Licht auf die gesamte Stadt. „In Rheinberg gibt es circa 400 Solaranlagen. Aber die bringen zusammen nicht die Leistung dieser fünf Räder“, sagt er. Sie seien der Startschuss für ein Umdenken in der Stadt gewesen, hin zum Grün. Möglicherweise wird es in Rheinberg deshalb künftig weitere Windanlagen geben. Derzeit fehle es an geeigneten Flächen. Ein Blick gen Norden, zu den großen Rädern in 20, 30 Kilometern, zeigt, wohin die Reise geht – was eben neu war, ist jetzt alt. Aber immer noch angetrieben mit der Naturgewalt, die schon die Ossenberger Mühle rotieren ließ.