Alle drei Jahre müssen Unternehmen die Betriebsrente auf den Prüfstand stellen. Betroffene müssen Widerspruch einlegen, wenn die Anpassung zu gering ausfällt.
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17,8 Millionen Arbeitnehmer hatten bis Ende 2013 über 20 Millionen Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums hervor. 2001 waren es nur 14,6 Millionen Anwartschaften. Die Bedeutung der Betriebsrente wächst also. Jedoch passen viele Unternehmen die Betriebsrente nicht in dem Maße an, wie es sein sollte.
Werden die Betriebsrenten der 135.000 Pensionäre von Thyssen-Krupp Steel nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts nun automatisch erhöht?
Nein. Von dem Urteil können zunächst nur die Mitglieder der Alternative Unabhängige Betriebsrentner (AUBR), die am Tag der Klageeinreichung dem Verein angehörten, profitieren. „Betriebsrentner haben eine Holschuld“, sagt der Anwalt Harald Mende.
Das heißt: Jeder Betriebsrentner muss seine Rechte selbst einfordern und Widerspruch einlegen. Viele Unternehmen informieren aber gar nicht über Anpassungen. Die Höhe ist nur am Kontoauszug zu erkennen.
Können sich Betriebsrentner selbst helfen?
Der Dinslakener Verein AUBR unter Vorsitz von Bruno Schachta bietet seine Hilfe an. Er hat beobachtet, dass eine Witwe, die Einspruch beim Unternehmen einlegte, abblitzte, ein Rentner, der einen Anwalt einschaltete, jedoch eine Anpassung erhielt. „Wo bleibt da die Moral“, fragt Schachta. Der AUBR hat über 200 Mitglieder.
Wie können die Nachbesserungen für Betriebsrentner ausfallen?
Die Höhe der Betriebsrente ist sehr individuell. Bei AUBR schätzt man, dass sie bei Thyssen-Krupp Steel zwischen 100 und 500 Euro pro Monat liegen. In einem Musterverfahren urteilten die Richter, dass die Rente von 105 Euro um 13 Euro monatlich angehoben werden und der Konzern rund 300 Euro nachzahlen müsse. Nach Angaben von Anwalt Mende verjährt der Anspruch auf eine Nachzahlung nach drei Jahren, das Recht auf die Anpassung der Betriebsrente allerdings nicht.
Wie hoch muss die Anpassung der Betriebsrente alle drei Jahre ausfallen?
Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Unternehmen den Kaufkraftverlust ausgleichen müssen, den Pensionäre im Überprüfungszeitraum erlitten haben. Grundlage dafür ist der Verbraucherpreis-Index, der sich aus einem bestimmten Warenkorb zusammensetzt. In den fraglichen Jahren lag die Inflation bei rund zwei Prozent. Die Betriebsrente hätte also für drei Jahre um sechs Prozent steigen müssen.
Thyssen-Krupp Steel hatte bis 2013 aber nur um drei Prozent aufgestockt. Nach ersten verlorenen Gerichtsverfahren legte der Konzern knapp ein Prozent drauf. „Damit war der Nachholbedarf aber nicht gedeckt“, sagt Anwalt Mende.
Ist das aktuelle Urteil auf andere Unternehmen übertragbar?
Eher nicht, meint der Arbeitsrechtler Heinz-Dietrich Steinmeyer von der Universität Münster auf Nachfrage dieser Zeitung. Darauf deute die Entscheidung der NRW-Arbeitsrichter hin, keine Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt zuzulassen. Gehe es um bundeseinheitliche Rechtsfindung, sei üblicherweise immer die höchstrichterliche Instanz gefragt. Die Nichtzulassung der Revision spreche dafür, dass die Düsseldorfer Richter in dem Thyssen-Krupp-Fall keine Neubewertung der herrschenden Rechtslage erkennen könnten.