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Barmer schließt jede zweite Geschäftsstelle

Barmer schließt jede zweite Geschäftsstelle

Essen. 

Die Barmer GEK hat ihre Mitarbeiter gestern über Details ihres Sparprogramms informiert, sprich: ob ihre Filiale geschlossen wird oder erhalten bleibt. Etwa jede zweite der derzeit bundesweit 800 Geschäftsstellen wird in den kommenden Jahren aufgegeben, wie die zweitgrößte deutsche Krankenkasse bereits im Februar angekündigt hatte. Gleichzeitig sollen 3500 von aktuell knapp 17 000 Stellen abgebaut werden. Die Barmer GEK erhofft sich davon mittelfristig Einsparungen von bis zu 300 Millionen Euro im Jahr.

In Nordrhein-Westfalen wird es künftig 90 statt derzeit 170 Geschäftsstellen geben, wie Landesgeschäftsführer Heiner Beckmann dieser Zeitung sagte. Mit der Umsetzung werde die Barmer GEK in NRW erst im Jahr 2016 beginnen, mindestens bis dahin blieben alle Geschäftsstellen bestehen.

Immer mehr online

Die Barmer folgt damit anderen Kassen und Unternehmen anderer Branchen, die ihre Vor-Ort-Präsenz bereits deutlich zurückgefahren haben. Bei den Kassen, der Post oder den Banken ist der Grund dafür identisch: Die Bedeutung der klassischen Filialen als Anlaufstelle für Kunden nimmt ab, weil immer mehr Anliegen bequemer online oder telefonisch zu erledigen sind. Die Zahl der zumeist älteren Kunden, die noch die Geschäftsstellen ihrer Kasse oder Bank aufsuchen, wird stetig geringer. Das Problem der Unternehmen ist es, darauf zu reagieren, ohne ältere Kunden zu vergraulen.

So versichert Barmer-Manager Beckmann: „Auch in der neuen Struktur erreichen 90 Prozent unserer Kunden in maximal 20 Minuten die nächste Geschäftsstelle. Wir sparen in der Verwaltung, werden dafür aber die Zahl der Kundenberater deutlich erhöhen.“ Im Ruhrgebiet sollen künftig zwei von landesweit acht Regional-Geschäftsstellen der Barmer in Essen und Dortmund stehen, mit je 14 angegliederten Geschäftsstellen in ihren Regionen. In den großen Städten wie Duisburg werden weniger Filialen geschlossen als im ländlichen Raum. Am Niederrhein bleibt die Barmer in Geldern, Viersen, Kleve und Krefeld vor Ort, ebenso in Moers, Dinslaken und Wesel. Die Niederlassungen in Goch, Kempen und Willich fallen dagegen weg. Um das aufzufangen, plant die Barmer vor allem im ländlichen Raum den Einsatz „mobiler Kundenberater“, die zu festen Terminen in Bürgerbüros kommen und auch Hausbesuche machen.

Deutlich ausgebaut werden soll der Telefon- und Online-Service. „80 Prozent der Anfragen können künftig telefonisch bereits abschließend geregelt werden“, so Beckmann.

Dennoch steckt natürlich auch der wachsende Kostendruck hinter dem Sparprogramm. „Dem Gesundheitssystem wird Geld entzogen, die Ausgaben steigen, im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr etwa für Arzneien um 9 Prozent. Ab 2015 wird der Wettbewerbsdruck weiter zunehmen, da sich Kassen wieder durch unterschiedliche Beitragssätze unterscheiden werden“, sagt Beckmann. Deshalb sei es wichtig, bei den Verwaltungskosten zu sparen. „Unser Ziel ist es, effizienter zu werden, um auch mit einem attraktiven Beitragssatz zu überzeugen.“ Über die Einsparungen hinaus wolle die Barmer GEK auch Geld in Leistungen und Service investieren.

Start in Ostdeutschland

Die Barmer beginnt in Ostdeutschland mit der Umsetzung des Programms, 2016 erreicht es NRW. Die Beschäftigten erfuhren gestern, wie es dann weitergeht. „Jeder unserer Mitarbeiter wird ein zumutbares und geeignetes Arbeitsplatzangebot erhalten. Wir haben uns mit Verdi in einem gesonderten Tarifvertrag darauf verständigt, dass eine Stunde Fahrtzeit zum Arbeitsplatz zumutbar ist“, sagt Beckmann. Nicht jeder Mitarbeiter werde das Arbeitsplatzangebot annehmen. Daher seien mit der Gewerkschaft auch die Bedingungen für Aufhebungsverträge vereinbart worden, zudem gebe es ein Altersteilzeitmodell. „Wir geben unseren Mitarbeitern eine Beschäftigungsgarantie – betriebsbedingte Kündigungen sind grundsätzlich ausgeschlossen“, sagt Beckmann.