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Ärztepräsident warnt vor Klinik-Schließungen in Deutschland

Ärztepräsident warnt vor Klinik-Schließungen in Deutschland

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Foto: Kai Kitschenberg
Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer, befürchtet Einschnitte bei der Versorgung der Patienten und kritisiert die Pläne einer möglichen schwarz-roten Regierung. Am Donnerstagabend war er der Hauptredner beim Politischen Forum Ruhr in der Messe Essen.

Essen. 

Nirgends in Deutschland ist die Klinikdichte so hoch wie im Ruhrgebiet. In Essen kommen 37 Klinikärzte auf 10 000 Einwohner, doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt. Entsprechend sorgenvoll haben die hiesigen Krankenhäuser vernommen, was die Chefunterhändler von Union und SPD in ihren Koalitionsgesprächen vereinbart haben. Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) sind sich einig, dass es gerade in Ballungsgebieten zu viele Kliniken gebe und eine „Bereinigung“ nötig sei. Dafür soll die Finanzierung geändert werden, was es auch zu Schließungen führen könnte.

„So wird niemand gesünder“

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hielte das für einen großen Fehler. Vor dem Politischen Forum Ruhr in der Messe Essen warnte er gestern Abend vor massiven Einschnitten bei der wohnortnahen Versorgung der Patienten. „Die Menschen werden älter und kränker, aber durch Klinikschließungen ist noch niemand gesünder geworden“, sagte er dieser Zeitung im Vorfeld der Veranstaltung.

Stattdessen forderte Montgomery mehr Geld für die Kliniken und sieht dabei auch die Landesregierung in der Bringschuld. Die Länder seien verantwortlich für die stationäre Versorgung der Menschen und sollten dies auch bleiben. „Das nimmt die Bundesländer aber auch in die Pflicht, zur finanziellen Entlastung der Krankenhäuser ihren Beitrag zu leisten und endlich in vollem Umfang ihren Investitionsverpflichtungen nachzukommen.“ Vor 15 Jahren seien noch zehn Prozent der Landes-Investitionen in die Kliniken geflossen, heute 3,5 Prozent.

Mehr Geld fordert Montgomery auch von den Krankenkassen. Dabei stellt er das oft kritisierte Fallpauschalen-System nicht grundsätzlich infrage, doch müssten die Pauschalen mit den Löhnen der Ärzte und des Pflegepersonals Schritt halten. „Notwendig ist eine volle Refinanzierung der Tariflohnsteigerungen und Personalentwicklungskosten, um auch bereits defizitären Häusern eine adäquate Stellenbesetzung zu ermöglichen“, sagte Montgomery.

Tatsächlich sind Union und SPD bereit, Kliniken höhere Pauschalen zu zahlen – allerdings nur den mit den besten Qualitätswerten. Schlechte sollen dagegen weniger Geld erhalten, wobei offen ist, wie das gemessen werden soll.

Der Ärztepräsident, selbst angestellter Radiologe an der Hamburger Uni-Klinik, warnte im Zusammenhang mit den Schließungs-Androhungen Lauterbachs auch davor, dass Krankenkassen einzelne Kliniken mit sogenannten Selektivverträgen bevorzugen dürfen, wie es die SPD will.

Selektivverträge sind bislang nur in Ausnahmefällen erlaubt

Dies könnte zu einem weiteren Instrument der Kassen für die gewünschte Bereinigung der Kliniklandschaft werden. Schließlich kann die Politik nicht einfach Unternehmen schließen. Wenn die neue Regierung es den Kassen aber erlauben würde, für bestimmte Eingriffe künftig Verträge nur mit einzelnen Kliniken zu schließen, in die ihre Versicherten dann gehen müssten, würden Häuser ohne solche Verträge finanziell ausbluten.

Solche Selektivverträge mit Kliniken sind bisher nur in Ausnahmen erlaubt, etwa zur Behandlung seltener Krankheiten. Sie auszuweiten, lehnt die Ärzteschaft ab. „Mit Selektivverträgen würde man „vehement in den Charakter der Krankenhausplanung eingreifen“, warnt Montgomery.