Für die 550 Beschäftigten war es ein Weihnachtsgeschenk: Drei Banken verzichten auf einen Teil ihrer Millionenforderung — das Hoesch-Profilwerk in Schwerte ist vorerst gerettet. Noch wenige Stunden zuvor hatte die Geschäftsleitung zähneknirschend mitgeteilt, die Zukunft des Unternehmens sei mehr als ungewiss.
Schwerte.
Endlich liegen die Schreiben vor, auf die die Geschäftsleitung von Hoesch seit Monaten gewartet hatte und die für die 550 Beschäftigten einem Weihnachtsgeschenk gleichkommen dürfte. Die drei italienischen Banken, die mehrere Millionen Euro an Krediten in das Unternehmen gesteckt haben, sind bereit auf einen erheblichen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Damit ist der Weg frei für eine Fortsetzung der Landesbürgschaft.
Wie anders sah es noch am Morgen aus. Das Grau-in-Grau draußen passte zu der Stimmungslage der Hoeschianer, die sich in der Rohrmeisterei zur mehrfach verschobenen Belegschaftsversammlung eingefunden hatten. Die Geschäftsleitung hatte die unangenehme Aufgabe, der Belegschaft mitzuteilen, dass die Zukunft des Unternehmens mehr als ungewiss sei.
Angst um den Job
Die Sorge um ihren Arbeitsplatz war den Gesichtern der Beschäftigten abzulesen, als sie nach nur einer Stunde das Gebäude wieder verließen. Eigentlich dauern die Zusammenkünfte deutlich länger. Doch die Firmenchefs konnten zu dem Zeitpunkt nichts anderes verkünden, als dass sehr viel auf dem Spiel stehe. Die Mitarbeiter befürchteten – zwei Tage vor dem Weihnachtsfest – möglicherweise schon bald ihren Job zu verlieren.
Wie zu erfahren war, wurde aber hinter den Kulissen noch einmal der Druck auf die italienischen Banken deutlich erhöht. Zum einen stach das Argument, dass die deutschen Geldinstitute, allen voran die Schwerter Sparkasse, bereit seien, den Schritt zu gehen, den die Banken südlich der Alpen immer wieder abgelehnt hatten, nämlich einen erheblichen Teil der Geldforderungen einzustampfen. Diesem Vorbild sollte doch Folge geleistet werden.
Zum anderen führte man den Italienern aber auch vor Augen, dass die finanziellen Verluste für sie am Ende deutlich größer wären, wenn sie keinen Verzicht üben würden. Geriete Hoesch unter die Räder, würden möglicherweise alle Geldforderungen obsolet sein.
Das Umdenken der Italiener sorgte für Erleichterung bei der Geschäftsleitung, und auch die Belegschaft wird die Nachricht gerne hören. Dabei werden den Beschäftigten erneut große finanzielle Opfer abverlangt. Denn in dem Moment, in dem das Finanzgerüst steht, greift der Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich zum einen ein erheblicher Lohnverzicht, aber auch die Zusicherung, dass in den nächsten drei Jahren keine Leute entlassen und keine Leiharbeiter eingestellt werden. Einbußen bedeuten konkret: Die Hoeschianer erhalten weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld. Das haben sie auch weitestgehend schon in den vergangenen drei Jahren nicht mehr erhalten. In einer weiteren Klausel wird ein Arbeitszeitfenster geöffnet: Wenn die Auftragslage keine 35-Stunden-Woche zulassen sollte, kann sie um eine Stunde herabgesetzt werden. Entsprechend geringer fällt auch der Lohn aus. Ob diese Karte aber gezogen wird, hängt von der Auftragsentwicklung ab, betonen die Geschäftsführer Theo Odenthal und Jürgen Mensinger.
Bekenntnis zum Standort
Für sie bedeutet die gestrige Erklärung, in verstärktem Maße den Weg konsequent zu verfolgen, den sie bereits beschritten haben. Produktivität und Qualität sind nach Worten der Firmenchefs die entscheidenden Faktoren, um die Firma weiter nach vorne zu bringen.
Dr. Riccardo Chini, Mehrheitseigentümer der Calvi-Holding, die Hoesch 2005 von Thyssen-Krupp übernommen hatte, legte in der Belegschaftsversammlung ein klares Bekenntnis ab. Er stehe zu dem Schwerter Unternehmen, so Chini. Calvi brauche Hoesch und Hoesch brauche Calvi. Die Verzahnung, so ergänzt Odenthal, lasse sich jetzt noch weiter ausbauen.