Der Flüchtlingsrat Oberhausen bemängelt, dass die Stadt kein Konzept für die Beschulung von Migrantenkindern habe. Die Kinder würden darunter leiden.
Oberhausen.
Verwahrung statt Förderung? Der Flüchtlingsrat fürchtet großen Frust bei Migrantenkindern, weil sie auf die falsche Schule kommen. „Wenn ich mir im Allgemeinen die geplante Beschulung der Flüchtlingskinder in Oberhausen ansehe, kann ich leider nur zu dem Schluss kommen, dass es überhaupt kein Konzept mehr dafür gibt“, sagt Sigrid Culemann vom Oberhausener Flüchtlingsrat. Stein des Anstoßes ist die geplante Umlegung von internationalen Vorbereitungsklassen (IVK). Derzeit gibt es laut Stadtsprecher Martin Berger 25 solcher Klassen (13 auf weiterführenden Schulen) mit rund 400 Schülern in ganz Oberhausen.
Obwohl die Hauptschulen erst nach und nach auslaufen sollen, werden fünf der momentan sechs dort angebotenen IV-Klassen „auf andere Schulsysteme verteilt“, erklärte Dieter Kalthoff, Bereichsleiter des Kommunalen Integrationszentrums (KI) auf NRZ-Anfrage. Im Oberhausener Modell werden zugewanderte Kinder auf ihre Fähigkeiten hin getestet und bekommen dann eine Schulempfehlung.
„Frust ist programmiert“
Nach einem vorläufigen Plan sollten zwei IV-Klassen an Gymnasien, zwei an Realschulen und eine Klasse an eine Gesamtschule verlegt werden. „Frust ist da doch programmiert“, glaubt Culemann. „Wie soll denn ein Schüler, der nach Einschätzung des KI für die Hauptschule geeignet ist, plötzlich auf einem Gymnasium mit G8-Richtlinien klarkommen?“ Das sei selbst für viele reguläre Schüler nur unter großen Anstrengungen zu schaffen. Ein weiterer Schulwechsel innerhalb kürzester Zeit sei dann unvermeidlich. „Einige müssen vielleicht ganz ohne Abschluss die Schule verlassen. Das kann so nicht richtig sein“, schimpft die ehemalige Lehrerin Culemann.
Auch Michaela Krings-Kröll, Hauptschullehrerin und Mitglied des GEW-Vorstands, wettert gegen die anstehende Umlegung der internationalen Vorbereitungsklassen: „Wenn man bedenkt, dass in diesen Klassen auch schwer traumatisierte Kinder und Jugendliche aus Krisengebieten unterrichtet werden, dann ist der Grundsatz größtmöglicher pädagogischer Kontinuität dringend zu beachten. Warum man sich mit den gegenwärtigen Klassenlehrkräften vor den Entscheidungen über neue Standorte nicht diesbezüglich abgestimmt hat, ist unverständlich.“ Schulsozialarbeiter gibt es an Gymnasien nicht.
Gesamtschulen sind schon überfüllt
Ausgelöst wurde das Problem von dem Entschluss der Bezirksregierung, die Integrationsstellen drastisch zu verringern. Bis zum Ende dieses Schuljahres steht den Schulen pro IVK eine Lehrerstelle zur Verfügung, ab nächstem Schuljahr nur noch eine halbe. Folglich sollten die IV-Klassen so aufgeteilt werden, dass die Stellen an den Schulen gehalten werden können.
„Weil die Hauptschulen auslaufen, müssten viel mehr IVK an Gesamtschulen entstehen“, sagt Juliane Dietze, ehemalige Lehrerin des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums. „Leider sind die Gesamtschulen schon jetzt überfüllt“, so Dietze, die wie Culemann und Krings-Kröll kritisiert, dass die Klassengröße von 15 auf bis zu 20 IVK-Schüler angehoben werden soll. Die drei haben den Eindruck, es gehe mehr um ein „Aufbewahren der Kinder“ als um ein wirkliches Interesse an einem erfolgreichen Schulabschluss.
Kalthoff argumentiert, dass man im KI nur mit den Systemen arbeiten könne, die zur Verfügung stünden. „Zur Zeit kriegen wir noch alles hin“, so Kalthoff. „Wir haben einige gute Beispiele, dass Seiteneinsteiger, also Kinder, die vorher in einer IVK waren, auch auf dem Gymnasium erfolgreich sind.“ Dennoch gab Kalthoff zu, dass das KI vor einer „Herausforderung“ stehe. Im Schuljahr 2011/2012 musste sich das KI um 114 Seiteneinsteiger kümmern, aktuell seien es schon 400. Dass es bisher noch gut laufe, hätte das KI auch einer guten Kooperation mit der Schulaufsicht zu verdanken.
Es kommen noch mehr Probleme auf Schulen zu
Dietze sieht allerdings noch mehr Probleme auf die Schulen zukommen. Es entstehe derzeit eine Mehrfachbelastung, die sowohl Schulleitungen als auch Kollegien überfordere: „Zu der zunehmenden Zahl an IVK kommt das Thema Inklusion und eine verkürzte Ausbildung der Referendare.“
Für ein bisschen Erleichterung soll noch im laufenden Schuljahr Gabriela Parvanova sorgen. Sie tritt die Schulsozialarbeiter-Stelle an, die dem KI durch das Bildungs- und Teilhabegesetz (BuT) bis 2017 genehmigt worden ist. Bereits in 2012 und 2013 war Parvanova im KI tätig. „Für die Schüler ist sie sehr wichtig, denn Lehrer können nicht alle außerschulischen Probleme klären“, so Dietze.
Die Kritik an der geplanten Umlegung der IV-Klassen bleibt im Übrigen nicht ungehört. Für Freitag hat die Stadt zu einer Besprechung mit allen Beteiligten geladen.