Veröffentlicht inOberhausen

15 Jahre Schmerzen und Angst – doch dann trifft Julian Bolte ein mutige Entscheidung, um für seine Familie da sein zu können

15 Jahre Schmerzen und Angst – doch dann trifft Julian Bolte ein mutige Entscheidung, um für seine Familie da sein zu können

julian.JPG
Foto: Julian Bolte
  • Seit 15 Jahren hat Julian eine schreckliche Krankheit
  • Ein normales Leben war nicht mehr möglich
  • Doch eine OP veränderte vergangenes Jahr sein Leben
  • Dies tat er aus Liebe zu seiner Familie

Oberhausen. 

Julian Bolte kann endlich ein richtiger Papa sein. Mit seinem Sohn auf dem Spielplatz toben. Stolz dabei zusehen, wie der kleine Felix groß wird. Bis zum letzten Jahr war an ein solches Familienglück nicht zu denken.

Denn der Oberhausener war schwer krank. Sein Dickdarm war voller Geschwüre, machte ein normales Leben nicht möglich.

Erst als der 30-Jährige sich entschloss, ein Leben lang mit einem künstlichen Darmausgang (Stoma) zu leben, veränderte sich alles – das wollte er der Welt erzählen.

Andere würden sich dafür schämen, vielleicht den Lebenswillen verlieren, doch Julian ist stärker geworden. Anstatt sich zu verstecken, fasste er all seinen Mut zusammen und postete bei Facebook ein Foto von sich mit dem Stoma und schrieb dazu einen intimen Text.

Durchweg positive Reaktionen

Sein Post wurde schon über 60 Mal geteilt. Menschen, die ähnliche Schicksale erleiden mussten, schrieben ihm bewegende Nachrichten – Julians Text gibt ihnen Hoffnung, den Mut, weiterzumachen.

Colitis Ulcerosa – 15 Jahre Leidensdruck

Schon seit 15 Jahren leidet Julian an Colitis Ulcerosa. Das ist eine chronische Krankheit des Dickdarms.

Sie verursacht Geschwüre in der inneren Schleimhaut des Dicksarms, was mit blutigen Durchfällen und oft auch mit Schmerzen einhergeht.

Bei Julian hat die Krankheit schleichend sein Leben übernommen. Die Schule kann er noch beenden und auch die Ausbildung absolviert er.

Doch die Krankheit wird immer schlimmer: Bis zu 40 Mal am Tag muss er auf die Toilette. Erst verliert er seinen Job, dann wenden sich die meisten Freunde ab.

Das Haus kann er irgendwann fast nicht mehr verlassen. „Sobald Stress aufkam, wurde es noch schlimmer“, erzählt er.

Er hat dem Tod ins Auge gesehen

Zu den Schmerzen kommen Depressionen. Sein Leben verdunkelt sich immer mehr. Julian hat irgendwann fast keine Energie mehr, weiter zu leben.

Ohne Scheu hat er seine Gefühle in dem Facebook-Post niedergeschrieben, die ihm damals durch den Kopf gingen.: „Sich und andere hassen! Trauer und Wut! Jeden Tag die selbe Scheisse. Oft genug darüber nachdenken es selbst zu beenden und alle alleine zu lassen. Keine Kraft und Lust mehr!“

Medikamente, Depressionen und Krankenhausaufenthalte. Zweimal ist er fast gestorben.

Doch auch in der dunkelsten Zeit hat er eine Konstante: seine heutige Frau Nadine: „2003 kam sie in mein Leben und ich bin so dankbar, dass sie bei mir ist“. Jede Phase seiner Krankheit erlebt sie mit und weicht nie von seiner Seite.

Die einzige Konstante in seinem Leben: seine Frau

Auch wenn sie nicht das erleben, was andere Liebende in ihrem Alltag haben: Schwimmen, ins Kino gehen, Urlaube. Das alles ist nicht möglich.

Doch dann wird das größte Geschenk ihres Lebens geboren: Felix.

Im Februar 2015 erblickt der Junge das Licht der Welt und stellt seitdem Julians Welt auf den Kopf.

Julian will Vollzeit-Papa sein. So richtig klappt das mit der Krankheit aber nicht. Auf den Spielplatz gehen, lange Ausflüge und ein unbeschwerter Alltag – das gibt es für Julian zunächst nicht.

Die OP veränderte sein Leben: mehr als 2/3 des Darms werden entfernt

Letztes Jahr trifft Julian eine lebensverändernde Entscheidung. Nachdem ihm sein Arzt mitteilt, dass sich um die 15 Polypen in seinem Darm entwickelt haben und Vorboten von Darmkrebs sind, will er etwas verändern.

Er sucht selbstständig einen Chirurgen auf. Macht ein OP-Termin, trotz des hohen Risikos, dass Nebenwirkungen auftreten können.

„Es war für mich der letzte Ausweg, um zurück ins Leben zu finden.“

Ende Juni 2016 ist es dann soweit: mehr als 2/3 von Julians Dickdarms werden entfernt. Aus dem Rest wird ein künstlicher Darmausgang (Stoma) geformt.

Trotz Schmerzen – Aufstehen für den Kleinen

Die OP glückt, doch die Tage danach sind für Julian der Horror: „Ich hatte noch nie solche Schmerzen.“

Und trotzdem – anstatt liegen zu bleiben, steht er einen Tag nach der OP direkt auf. Er will wieder fit werden, für sich und seine Familie stark sein.

Jeden Tag quält er sich aus dem Bett und läuft über den Flur. Die Pfleger sind von seiner Willenskraft beeindruckt, für Julian ist klar, dass er wieder nach Hause will, um auf den Kleinen aufpassen.

Zwei Wochen nach der OP geht seine Frau wieder arbeiten – Julian bekommt Unterstützung von Oma und Opa. Doch auch wenn er Felix noch nicht hochheben und wickeln kann, das Lebensgefühl ist nun ein anderes.

Er wird nun für immer anders sein

Nie wieder richtig auf Toilette gehen, ein Leben lang den künstlichen Darmausgang pflegen. Julian ist nun anders als die meisten Menschen und trotzdem:

„Mir gibt dieser Stoma so viel Lebenskraft“ Denn Julian hat keine dauerhaften Schmerzen mehr. Er kann endlich wieder am Leben teilnehmen und Dinge machen, die anderen selbstverständlich erscheinen.

Manchmal ist ihm der künstliche Darmausgang noch unangenehm. Wenn er sich vor dem Spiegel sieht oder den Beutel reinigen muss. Doch seine Frau redet ihm ins Gewissen, sagt ihm dass er sich für nichts schämen und keine sackartigen Oberteile tragen muss. Und dass er schwimmen gehen kann, ohne angestarrt zu werden.

Ein Krieger, der stolz auf seine Narben sein kann

Als er das erzählt, muss er selbst lachen und sagt, dass sie Recht hat. Seine Frau war es, die ihm den Ansporn gab, sich mit dem künstlichen Darmausgang ablichten zu lassen und das Bild bei Facebook zu posten.

Andere Menschen würde sein Stoma nicht stören. Und das stimmt, die positiven Reaktionen auf seinen Post beweisen es. Julian ist überglücklich: „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.“

Jetzt blickt er positiv in Zukunft: Im August kommt Felix in die Kita. Ein zweites Kind ist schon geplant.

Nächste Woche geht es für die kleine Familie aber erst mal zusammen ins Schwimmbad: „Wir wollen in den Aquapark. Aber erst wenn die Schulferien vorbei sind. Dann ist es entspannter.“

Seine Geschichte ist bewegend. Sie zeigt einen mutigen Kämpfer. Und jemanden, der jetzt endlich ein richtiger Papa sein kann.

„Ich möchte stärker werden – auch als Vater.“

Auch interessant:

9 Gründe, warum wir Mülheim einfach nur lieben!

Bochumer Radlerin (27) wird 140 Meter zwischen Autoreifen mitgeschleift – Fahrer steigt aus und bricht zusammen

Ein bisschen wie bei Al Capone: Wie unbezahlte Garagen-Mieten die Polizei auf die Spur der „Audi-Bande“ brachten