Die Hochschule Ruhr-West hat ein Projekt für Flüchtlinge gestartet, die studieren wollen. Das Programm hat Modellcharakter über die Region hinaus
Mülheim.
Abdullah Alkoujeh ist aus Syrien geflüchtet. Zuhause hatte er ein Semester Bauingenieurwesen studiert. Von Anfang an war für den 21-Jährigen klar: „Ich würde gerne weiter studieren.“ Aber wie? In Mülheim besucht er zunächst das Berufskolleg an der Lehnerstraße. Dort erzählt ihm seine Lehrerin, dass sie gehörte habe, die Hochschule Ruhr-West plane ein Studienintegrationsprojekt für Flüchtlinge. Ein Moment, der alles veränderte:„Plötzlich hatte ich wieder ein Ziel“, sagt er.
Anfang April ist das Projekt gestartet. Alkoujeh und noch 15 weitere Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und Armenien sind mit dabei. Auch die beiden Brüder Jafar und Hesam Salehi aus dem Iran. Der 31-jährige Jafar hatte in seiner Heimat bereits Maschinenbau studiert, sein 26-jähriger Bruder Hesam vier Jahre Elektrotechnik. „Mein Ziel ist, dass ich bald so gut Deutsch sprechen kann wie die Deutschen“, sagt Jafar. Und sein Bruder ergänzt: „Es ist unsere Pflicht, uns anzustrengen.“
Sprache als Schlüssel zum Erfolg
Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg. Das Projekt gliedert sich in zwei Teile. Im ersten findet vormittags der Deutschunterricht in der Hochschule statt. Am Nachmittag gibt es ein Begleitprogramm: Die Teilnehmer lernen etwas über Deutschland, das Ruhrgebiet, aber auch über das Studiensystem und das Fächerangebot. Vor allem bekommen sie aber durch 30 Studenten, die sich dort ehrenamtlich engagieren, einen Einblick in das Studentenleben vor Ort. Das ist auch das Erfolgsgeheimnis: 30 Stunden verbringen die Teilnehmer so pro Woche an der Hochschule. Sie sprechen miteinander und mit ihren Kommilitonen: auf Deutsch.
Das Integrationsprojekt
wird jeweils im März und September zum Semesteranfang starten.
Voraussetzungen
sind ein entsprechendes Sprachniveau, eine gute Bleibeperspektive, eine Hochschulzugangsberechtigung und ein Studienwunsch in Ingenieur-, Wirtschaftswissenschaften oder Informatik.
Dann startet das zweite Semester des Vorbereitungsjahres. Auch jetzt bekommen sie weiter Unterricht, nun können Abullah, Jafar, Hesam und ihre Kommilitonen auch schon erste Erfahrungen im Studium sammeln: Sie besuchen ausgewählte Kurse und orientieren sich, für welches Fach sie sich entscheiden wollen.
Und schließlich folgt nach einem Jahr der Höhepunkt: Die Teilnehmer werden zu Studenten und wählen ein Fach. Auch jetzt findet parallel noch Sprachunterricht statt. Nach vier Semestern haben sie so ein hohes sprachliches Kompetenzniveau erreicht, dass sie ohne Probleme an den Vorlesungen und Seminaren teilnehmen und auch selbst schriftliche Arbeiten verfassen können.
Mülheimer Weg
„Viele Universitäten und Hochschulen haben sich Angebote für Flüchtlinge ausgedacht. Aber so ein kompaktes Programm findet man nicht oft“, betont Christiane Hinrichs, die an der Hochschule für ausländische Studenten zuständig ist. Und Hochschulpräsidentin Gudrun Stockmanns ist sich sicher: „Dieses Angebot hat Modellcharakter. Ich würde mich nicht wundern, wenn demnächst vom Mülheimer Weg die Rede ist.“
Das alles war aber nur möglich, weil von Beginn an die Hochschule eng mit der Stadtverwaltung kooperiert hat. Von dort aus bekamen die Hochschulmitarbeiter vor allem viele Hilfestellungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen: So mussten etwa die Hochschulzugangsberechtigungen und die Bleibeperspektiven der einzelnen Teilnehmer überprüft werden. „Unsere Mitarbeiter waren mit großem Engagement dabei. Das Besondere dabei ist: Wir versuchen, jedem individuell gerecht zu werden. Wir haben uns jeden Fall genau angeschaut. Denn nur so können sie tatsächlich Perspektiven für sich entwickeln, die ihnen gerecht werden.“, hebt Sozialdezernent Ulrich Ernst hervor. Dabei ist ihm wichtig: „Das ist alles kein Geschenk. Die Teilnehmer verpflichten sich zur Verbindlichkeit. In bestimmten Abschnitten müssen auch bestimmte Leistungen erbracht werden. Aber genau das motiviert sie.“