Sätze wie „Wir warn ma inner Kneipe“ untersucht der Engländer John Bellamy nun in Essen. Der 33-Jährige ist Sprachwissenschaftler und hat ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Bis Ende Juni wird er sich mit Bergleuten unterhalten oder bei Rundfahrten mit dem Bus lauschen.
Essen.
Der Mann ist Engländer, stammt aus Manchester und weiß, was große, alte Industrie-Städte ausmacht. In Essen hat sich Dr. John Bellamy in den vergangenen Wochen schon gut eingelebt, wie der Sprachwissenschaftler mit Doktortitel versichert. Als Germanist ist der 33-Jährige hier dem „Ruhr-Deutsch“ auf der Spur. Sätzen wie „Dat is ja ‘n Dingen!“ oder „Wir warn ma inner Kneipe“.
Möglich wird Bellamys Feldforschung durch ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Seit Oktober ist der Mann in Essen, hat an der Uni ein Büro bei den Germanisten bezogen und wird dort bis Ende Juni kommenden Jahres bleiben.
Bellamy will sich mit Bergleuten unterhalten und bei Rundfahrten mit Bus und Straßenbahn einfach nur dasitzen und den Leuten lauschen. Der Tipp eines Kollegen, des Germanistik-Professors Heinz H. Menge, der das Ruhrgebiet für die „farbigste Sprachlandschaft Deutschlands“ hält und Autor eines Buches mit dem Titel „Mein lieber Kokoschinski!“ ist. Der Bochumer liebt es, mit seinem Bärenticket kreuz und quer durch das Revier zu fahren. „Wer sich mit gesprochener Sprache beschäftigt, muss sich unter die Leute begeben“, lautet sein Motto.
„Buxe“ sagt man in der Uni selten – Hochdeutsch hat das größte Prestige
Das hat Dr. Bellamy auch vor und sich nicht ins Studentenwohnheim, sondern ganz privat in Huttrop einquartiert. Mit einem Studenten hat er sich darüber unterhalten, wann dieser eigentlich Hochdeutsch spricht und wann eher „Ruhr-Deutsch“. Was den Briten erstaunte: „Er sagte mir, dass er an der Uni immer Hochdeutsch redet, privat aber oft anders spricht.“ Bellamy bat um ein Beispiel und bekam zur Antwort: „Buxe“. „Das würde er an der Uni nie sagen. Da heißt es dann Hose.“ Hochdeutsch, das ist dem Briten jetzt schon klar, hat in Deutschland das größte Prestige. „Spricht jemand so, wird dieses Prestige auf den Sprecher übertragen.“
Was Bellamy auch auffällt, ist, dass er im Ruhrgebiet ganz häufig seiner Muttersprache begegnet. „Coffee to go“, lese er an jeder zweiten Ecke. Dann redeten die Leute von „Brainstorming“, wenn sie sich Gedanken machten oder von „Snapshot“, wenn ein Schnappschuss gemeint sei.
Der Sprachwissenschaftler hat sich mit Sozialarbeitern im Dortmunder Norden getroffen. Multikulturelle Viertel irritieren ihn nicht. „Das ist in Manchester nicht anders als hier. Das kenne ich, das mag ich.“ Was er wiederum beobachtet, ist, dass „die Leute hier sehr schnell sprechen und auch Silben verschlucken – etwa wenn sie ,anne Bude’ sagen“.
Am 11. Januar wird John Bellamy an der britischen Universität von Cambridge über seine Sprach-Forschung im Ruhrgebiet sprechen. Wer Lust hat, ihn bei seinen Essener Studien zu unterstützen und sich mit ihm unterhalten möchte, kann sich mit ihm ab Ende Januar per E-Mail verabreden: john.bellamy@gast.uni-due.de