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Wenn die Existenz an der Kippe hängt

Wenn die Existenz an der Kippe hängt

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Foto: WAZ Fotopool
Den ersten Bußgeldbescheid hat der Wirt der Rüttenscheider „Kronenstuben“ schon bekommen. Das Rauchen will er seinen Gästen trotzdem nicht verbieten. Sonst könne er die Kneipe direkt schließen.

Essen. 

Messingleuchten werfen schummriges Licht an die gekachelten Thekenwände. Gelbe Fliesen teilen sich mit dunkler Holzvertäfelung die Stubenwand. All das gehört zur Patina, die den spröden Charme einer der Urgesteine der Rüttenscheider Kneipenszene ausmacht. Die Kieferntheke in den „Kronenstuben“ ist auch um 11 Uhr morgens schon voll besetzt. Neben Würfelbecher und Pils darf hier der „Ascher“ nicht fehlen.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert malen die Rauchschwaden hier gelbe Wölkchen an die Decke – und das bis heute, trotz des Rauchverbots, das seit Mai 2013 gilt. Wenn es nach Wirt Achim Kobsch geht, soll das auch so bleiben. Den ersten Bußgeldbescheid hat er bereits bekommen. 328,50 Euro stellte ihm das Ordnungsamt nach Kontrollbesuchen in Rechnung: 200 Euro für den Verstoß gegen das Rauchverbot, 100 Euro für das fehlende Verbotsschild, plus Gebühren. Gezahlt hat der Rüttenscheider Wirt bislang nicht. Im Gegenteil: Er legte beim Ordnungsamt Widerspruch ein.

„Zigarette gehört dazu“

„80 Prozent meiner Gäste sind Raucher und Küchenbetrieb habe ich nicht. Wenn ich hier das Rauchen verbiete, kann ich die Kneipe gleich dicht machen“, sagt Achim Kobsch, dessen Familie die „Kronenstuben“ seit 27 Jahren betreibt. „Die Kippe gehört hier genauso dazu wie das Pils. Die Leute kommen genau deswegen hierhin“, erklärt der 51-Jährige. „Ich habe hier viele Witwer, die mittags auf ein Bierchen vorbeikommen, rauchen, klönen, quatschen und dann wieder abhauen“. Abends seien es vor allem junge Leute, für die die Zigarette ebenfalls dazu gehört.

Mit seinen Sorgen steht Achim Kobsch nicht alleine da. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) rechnet damit, dass in den nächsten Jahren rund die Hälfte aller Kneipen in NRW ihre Türen schließen werden. „Ich habe alles gemacht. Einen Raucherclub gegründet, 2.000 Unterschriften gesammelt“, erzählt der Wirt. Doch jetzt wüsste er einfach nicht mehr weiter. Eine Perspektive sieht Achim Kobsch derzeit nur darin, seinen Gästen das Rauchen auch weiterhin zu erlauben. „Der Kollege von der Eule hat kürzlich einen Bußgeldbescheid über 250 Euro wegen Lärmbelästigung bekommen, weil seine Gäste zum Rauchen vor die Tür müssen“, erzählt Kobsch. Kneipe ohne Rauchen, das funktioniere einfach nicht. „Ich zieh das jetzt durch bis mir einer den Laden dicht macht“, sagt Achim Kobsch. „Vielleicht mache ich auch eine Botschaft draus“, spinnt der Wirt wilde Träume. „Dann ist das hier neutraler Boden. Mein Anwalt meint, das wäre ungewöhnlich, aber möglich.“

Bürgerbegehren gegen das Rauchverbot

Am meisten ärgere er sich darüber, dass das Bürgerbegehren gegen das Rauchverbot keine Fahrt aufnimmt. Bei 17 Millionen Einwohnern in NRW müsse man doch eine knappe Millionen Unterschriften zusammenbekommen, so Kobsch. Thomas Kolaric vom Dehoga Nordrhein zeigt sich da skeptisch. „Bei Petitionen zu diesem Thema haben wir schon vor dem neuen Nichtraucherschutzgesetz eigene Erfahrungen gemacht“, erzählt Kolaric. „Wir sind jämmerlich gescheitert“. Zum einen halte er es für unrealistisch, das Bürgerbegehren kurzfristig anzustoßen und auch die Millionen Unterschriften seien „eine hohe Hausnummer“.

Dem Wirt der „Kronenstube“ rechnet Kolaric keine großen Chancen aus. „Er verstößt gegen ein bestehendes Gesetz. Ob man es nun gut heißt oder nicht, man muss sich daran halten“. Er rät Wirten davon ab, auf einen solchen Konfrontationskurs zu gehen. „Sich als Enklave oder Freistaat behaupten zu wollen, das sollte man lieber im Tiefschlaf tun“, sagt Kolaric. Sodenn er die existenzielle Not gut nachvollziehen kann, die dahinter steht. Doch: „Die Signale der Regierung gehen nicht in die Richtung, das Gesetz wieder zu lockern“, sagt Kolaric. Wirte sollten Möglichkeiten schaffen, damit die Gäste draußen rauchen können. Seine Einschätzung: „Raucherclubs oder separate Raucherräume – dahin werden wir nicht wieder zurückkommen.“