Sie hat ihren Mann in schwersten Stunden und glanzvollen Zeiten begleitet, war mehr als 70 Jahre mit ihm verheiratet: Nur ein Jahr nach dem Tod von Krupp-Patriarch Berthold Beitz ist nun auch seine Witwe Else im Alter von 94 Jahren gestorben.
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Nur ein gutes Jahr nachdem ihr Mann Berthold Beitz mit beinahe 100 Jahren verstarb, ist nun auch Else Beitz gestorben. Wie erst jetzt bekannt wurde, erlag die Witwe des Krupp-Patriarchen bereits am 14. September einer schweren Krankheit. Else Beitz, die im Juni 94 Jahre alt geworden war, starb im Kreis ihrer Familie. Sie hinterlässt drei Töchter, sieben Enkel und sieben Urenkel, denen es wichtig war, die Nachricht von ihrem Tod so lange wie möglich als Privatangelegenheit zu behandeln. So wurde Else Beitz am gestrigen Montag in Bredeney an der Seite ihres Mannes begraben, im engsten Familienkreis; die Todesanzeige wird erst an diesem Mittwoch veröffentlicht. Auch von Seiten der Krupp-Stiftung wird auf Wunsch der Familie keine Trauerfeier organisiert.
1939 hat Else Hochheim, gerade 19 Jahre alt, Berthold Beitz geheiratet, den sie ein Jahr zuvor beim Tennis kennengelernt hatte. Mehr als 70 Jahre hat die gebürtige Hamburgerin an seiner Seite verbracht – und war dabei doch viel mehr als die Frau an seiner Seite. „Ohne Deine Liebe hätte ich diese Zeit nicht überstehen können“, hat Berthold Beitz bei der Verleihung der Moses-Mendelssohn-Medaille vor fünf Jahren gesagt. Diese schwere Zeit, das waren die Kriegsjahre im polnischen Boryslaw, wo der junge Shell-Manager Berthold Beitz mehreren hundert Juden das Leben rettete, indem er die Todgeweihten zu unabkömmlichen Raffineriearbeitern erklärte.
Mit 73 erwarb sie den Doktortitel
Er habe nicht als Held gehandelt, sondern als Mensch, hat Beitz unermüdlich wiederholt, wann immer man ihn später für seine Taten ehrte. Ohne seine Frau Else aber sind sein Mut wie seine Menschlichkeit nicht denkbar; auch sie brachte sich als Retterin in Lebensgefahr. Und so war es nur folgerichtig, dass die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem 2008 auch Else Beitz als „Gerechte unter den Völkern“ auszeichnete.
Aufmerksamkeit hatte Else Beitz auch auf sich gezogen, als sie, nachdem die Töchter groß waren, die Bildung nachholte, die sie als junge Frau nicht hatte genießen können: vom Abitur bis zum Dr. phil, den sie mit 73 Jahren erwarb. „Industriepädagogik in den Großbetrieben des 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg, dargestellt am Beispiel der Firma Fried. Krupp“ hieß ihr Thema, das die Vermutung nahelegte, als Frau des Generalbevollmächtigten von Krupp habe sie privilegierten Zugang zu den Archiven genossen. Sie verneinte: Was sie eingesehen habe, sei jedem Studenten zugänglich – aber sie machte daraus eine mit magna cum laude, also mit Sehr gut, benotete Doktorarbeit.
„Mein Gesichtskreis hat sich stark verändert“, vertraute sie damals einem Journalisten an. Sie sei viel selbstbewusster geworden, sagte die Frau, die doch scheinbar ungezwungen mit Kanzlern und Königen parlierte. Dann tippte sie sich an die Stirn: „Man bleibt hier oben ganz schön beweglich.“ Umso bitterer war es wohl für ihre Familie, dass sie im hohen Alter dement werden sollte. Berthold Beitz hat die Krankheit seiner Frau nie versteckt, aber es bedrückte ihn, dass seine lebenslange Begleiterin immer seltener an seiner Seite unterwegs sein konnte.