Wenn manches Ratsmitglied bei der nächsten Einladung zum Edel-Italiener lieber dankend ablehnt, dann steckt dahinter womöglich weniger die Sorge um die schlanke Linie. Sondern um die strafrechtliche: Wie viel Zuwendung darf sich ein lokaler Volksvertreter angedeihen lassen, bevor ihm vorgehalten werden könnte, bestechlich zu sein?
Diese heikle Frage versucht die Stadtspitze jetzt mit einer neu gefassten Ehrenordnung zu beantworten, die Ende Oktober in den Rat kommt. Die alte war nicht etwa deshalb überholungsbedürftig, weil mancher sie nicht so genau nahm – das OB-Büro inklusive, das „vergaß“, manchen Beratervertrag für die Entsorgungsbetriebe zu erwähnen.
Nein, auch der neu geregelte Tatbestand der Abgeordnetenbestechung gemäß Paragraf 108 e des Strafgesetzbuches machte eine Überarbeitung notwendig, weil mit ihm jetzt auch kommunale Mandatsträger erfasst werden. Und wer weiß, hätte so manche Reise, manches üppige Geschenk, manche Einladung der Vergangenheit den einen oder anderen in eine missliche Lage und womöglich vor Gericht gebracht.
Dass dies nicht passiert, dafür sicherte sich die Stadtverwaltung die Erfahrung des Strafrechts-Experten Marcus Böttger aus der Düsseldorfer Rechtsanwalts-Kanzlei Verjans Böttger Berndt, der in Fragen der „Compliance“, also des regelkonformen Agierens besonders bewandert ist.
Böttger hat eine neue Ehrenordnung ausgearbeitet, die es in sich hat, weil sie nicht nur manches öffentlich(er) macht, was bisher geheim blieb, sondern auch Wertgrenzen für allerlei Zuwendungen enthält. Bei denen handle es sich zwar nur um „Richtwerte, die durchaus einer weiteren Erörterung zugänglich sind“. Doch darf man annehmen, dass in öffentlicher Sitzung des Rates kein Wettstreit darüber entbrennt, wer denn nun die Höhe der zulässigen Geschenke an sich und seine Ratskollegen höher schrauben will.
Was etwa den Edel-Italiener angeht, muss man wohl Vorsuppe oder Nachtisch oder den guten Wein weglassen, denn eine Bewirtung, die den Wert von 50 Euro übersteigt, gilt als „nicht mehr angemessen“. Die gleiche Grenze nennt Böttger für Frei-, Dauer-, Arbeitskarten oder Gutscheine: Über 50 Euro soll künftig zumindest der Oberbürgermeister informiert werden, ebenso, wenn ein großherziger Einlader einen gleich dauerhaft bedenken möchte.
Und der oder die Partner(in)? Soll lieber daheim bleiben, es sei denn, es geht um eine Repräsentations-Veranstaltung der Stadt.
Nein, da wird nichts wirklich verboten, denn auch die Stadt kann einem das Gefühl für Maß und Anstand, für das, was sich im Rahmen des Üblichen bewegt oder weit darüber hinaus geht, ja nicht abnehmen. Aber immer wieder gilt die Meldepflicht: an den OB oder auch den Ältestenrat.
Besonders vermint scheint das weite Feld der Geschenke – ob es sich nun um Geld- oder Sachgeschenke oder immaterielle Vorteile handelt. Wenn hier nicht „ausgeschlossen ist, dass sie im Hinblick oder in Bezug auf das Mandat zugewendet werden“, sind sie generell unzulässig. Allenfalls Aufmerksamkeiten wie Blumensträuße oder Massenwerbeartikel im Wert von gerade mal bis zu 25 Euro seien akzeptabel.
Und wer in seiner politischen Arbeit in die Lage kommt, mit der Zurückweisung eines Geschenkes gegen die Regeln der Höflichkeit zu verstoßen? Der muss das Präsent hernach beim Oberbürgermeister abgeben, „unverzüglich“. Möglich auch, dass jemand sich so in sein Geschenk verguckt hat, dass er es behalten möchte – dann lässt das Stadtoberhaupt den Wert feststellen, und der Beschenkte zahlt – abzüglich des Freibetrags von 25 Euro.
Ob dies auf die Dauer so recht praktikabel ist, muss sich wohl in der Praxis zeigen. Fraglich auch, ob sich jemand die Blöße gibt, eine mögliche Abhängigkeit oder auch nur den Eindruck einer solchen dadurch zu klären, dass er – wie es in einem Passus der neuen Ehrenordnung heißt – in der OB-Etage um Rat fragt. Dann lieber hungern.