Essen.
Antonio H. spricht so schnell ins Mikro, dass man manche Sätze kaum versteht. Dann wieder verhaspelt er sich, muss kurz innehalten. Die Aufregung ist ihm deutlich anzumerken.
H. ist der jüngste der fünf Angeklagten, die sich seit dem 13. Juli vor dem Landgericht Essen verantworten müssen. Im Prozess um mehrere Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet wird ihm und den anderen vorgeworfen, zwischen 2016 und 2018 systematisch Schülerinnen zum Sex gezwungen zu haben.
Gruppenvergewaltiger-Prozess: „Besonders abscheuliche Taten“
Mit einer Masche sollen sie die Mädchen an entlegene Orte gebracht, ihnen die Handys abgenommen und dann zu sexuellen Handlungen genötigt haben. Auch um Körperverletzung geht es im Prozess, manche der Mädchen sollen brutal geschlagen worden sein. Von „besonders abscheulichen Taten“ sprach die Polizei bei einer Pressekonferenz nach der Festnahme der mutmaßlichen Täter.
Am dritten Prozesstag äußerte sich Antonio H. zu den Vorwürfen. Seine Einlassung las der 17-Jährige ab.
Angeklagter: „Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn meinen Schwestern so etwas angetan worden wäre“
„Es tut mir leid, ich schäme mich“, sagte H. und entschuldigte sich bei den Opfern. „Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn meinen Schwestern so etwas angetan worden wäre.“
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Er könne das Geschehene nicht rückgängig machen. Aber sobald er volljährig sei, werde er sich darum bemühen, den Mädchen eine Entschädigung zu zahlen: „Dazu verpflichte ich mich.“
Besonders bei einem Mädchen entschuldigte er sich explizit erneut – er habe sich bereits zuvor persönlich bei ihr entschuldigt.
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Der Mitangeklagte Joshua E. hatte Antonio H. in seiner Aussage belastet: Obwohl er der jüngste aus der Gruppe sei, habe sich Antonio als Anführer aufgespielt und sich als „Big Boss“ bezeichnet. Er sei die treibende Kraft gewesen.
Antonio H. dreht den Spieß um
H. dementierte das in seiner Einlassung. Er wolle nichts schönreden, aber der Anführer sei er keineswegs gewesen.
H. drehte den Spieß um – und stellte Joshua E. als Anstifter dar. Die Masche, mit der die Mädchen zu sexuellen Handlungen genötigt worden sein sollen, sei vielmehr Joshua E.s Idee gewesen: „Er hat das mit dem Handywegnehmen schon vorher gemacht.“
Joshua E. sei überhaupt immer ziemlich aggressiv gewesen. Auch Antonio H. habe die Mädchen falsch behandelt, ein Mädchen habe er auch angeschrien, das tue ihm sehr leid. Geschlagen oder bedroht habe er aber niemanden.
Vergewaltigung? „Daran würde ich nie denken“
Ihm sei klar geworden, dass das nicht ganz richtig war, was er getan hat. „Aber ich habe das nicht als Vergewaltigung empfunden, daran würde ich nie denken“, so H.
Vor der Aussage von H. hatte es Streit zwischen seiner Verteidigung und dem Anwalt von Joshua E. gegeben. Marc Piel, der E. vertritt, hatte erklärt, dass sein Mandant Fragen der anderen Verteidiger nicht beantworten werde – H.s Rechtsanwältin Jenny Lederer hatte dennoch minutenlang eine Frage nach der anderen an E. gerichtet, der stumm blieb.
Streit zwischen den Anwälten
„Ich appelliere im Interesse aller an Sie, mit der Fragerei aufzuhören“, fuhr Piel sie an. Zur Taktik der Verteidiger einiger der Angeklagten scheint es auch zu gehören, die jeweils anderen Angeklagten zu Haupttätern zu erklären, um ihre Mandanten zu entlasten.
Bislang hat nur Gianni H. die Vorwürfe nahezu völlig von sich gewiesen: Ja, es gab Sex mit den Mädchen, der sei aber einvernehmlich gewesen.
Am 20. August wird der Prozess fortgesetzt.