- Das Sheraton-Hotel in Essen hat im Jahr 2009 freiwillig auf eine Bewertung von fünf Sternen verzichtet
- Jetzt hat sich ein Informant bei DER WESTEN gemeldet und erzählt, was der Grund dafür gewesen sein soll
- Das Hotel soll verzichtet haben, um keine Gäste aus der Pharmaindustrie zu verlieren
- Beim Sheraton dementiert man
Essen.
Früher war das Sheraton-Hotel in Essen mit fünf Sternen bewertet. Ein absolutes Luxushotel – darüber kommt nur noch Fünfstern-Superior. Doch heute besitzt das Hotel keinen einzigen Stern mehr.
Und das offenbar ganz bewusst, wie ein Informant, der beruflich mit dem Essener Sheraton zu tun hat, DER WESTEN mitgeteilt hat.
Laut ihm habe man in dem Hotel auf die Sterne-Klassifizierung des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga verzichtet, um einem Verlust von Hotelgästen aus der Pharmaindustrie zuvorzukommen.
Der mögliche Grund für den Verzicht: Ein Verein namens „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA).
Der Verein überwacht „die korrekte Zusammenarbeit von pharmazeutischen Unternehmen und Ärzten, Apothekern sowie weiteren Angehörigen der medizinischen Fachkreise und den Organisationen der Patientenselbsthilfe“.
Verhaltensregeln für ethische Arbeitsweise
Der Verein sagt selber, dass seine Mitglieder über 70 Prozent des deutschen Pharmamarktes für verschreibungspflichtige Arzneimittel abdecken.
Die Mitglieder haben sich Verhaltensregeln unterworfen, die eine ethische Arbeitsweise in der Branche garantieren sollen. Verstöße dagegen können mit bis zu 400.000 Euro geahndet und auch veröffentlicht werden.
In den Verhaltensregeln heißt es unter anderem, dass Hotels für Fortbildungen gebucht werden sollen, bei denen der Business-Charakter im Mittelpunkt steht. Und nicht etwa besondere Angebote wie ein Wellness-Bereich. Das ist auf der Seite des FSA zu lesen.
Zwei Dutzend Hotels verzichteten plötzlich auf eine Klassifizierung
Offenbar deshalb fürchteten Luxushotels anschließend um Gäste aus genau diesem Kundenstamm. Christopher Lück, Sprecher des Dehoga-Bundesverbands bestätigt: „Im Fünf-Sterne-Segment haben vor einigen Jahren gut zwei Dutzend Hotels auf eine Klassifizierung verzichtet.“
Laut dem Informanten, der sich bei DER WESTEN gemeldet hat, herrsche bei Luxushotels die Meinung vor, Mitarbeiter von Pharmaunternehmen dürften insgesamt nicht mehr in Luxushotels mit fünf Sternen untergebracht werden.
Ein Irrglaube, wie der FSA im Jahr 2010 klargestellt hat. Das Essener Sheraton allerdings hat schon im Jahr 2009 auf die Sterne verzichtet.
Keine Klassifizierung – keine Ausfälle
Mit dem (falschen) Glauben an die Fünf-Sterne-Regel des Vereins wäre eine Weiterführung der Klassifizierung wohl ein ordentlicher Ausfall von Einnahmen gewesen. Die Lösung: Wenn man keine Luxus-Klassifizierung mit fünf Sternen mehr hat, kann man den Kodex umgehen und verliert auch keine Gäste. Und die Teilnahme an der Klassifizierung ist freiwillig.
Anika Wellen, Director of Sales beim Essener Hotel Sheraton, will von dieser Taktik nichts wissen. Sie begründet die Entscheidung damit, dass die Sterne-Klassifikation ein Bewertungssystem sei, das Hotels in verschiedenen Ländern nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziere. Die Bewertungen seien von Land zu Land unterschiedlich und könnten falsche Erwartungen wecken.
Klassifizierung veraltet? Kunden wissen, was sie bekommen?
„Wir wollen unsere Gäste mit unseren Marken begeistern“, sagt sie. „Deshalb haben die Marken bei Marriott (Betreiber der Sheraton-Hotels) ein klares Profil und wir definieren sie mit spezifischen Services und Qualitätsleistungen.“ Das erlaube den Gästen eine weltweite Einschätzung des Hotelstandards.
Weiter argumentiert sie, dass die Klassifizierung früher ein Leitfaden gewesen sei. Aber gerade bei großen Hotelunternehmen wisse der Kunde, was er erwarten könne und bekomme. Das sei auch bei der Marke Sheraton der Fall.
Mit Marke begeistern statt mit Sternen?
Wenn aber das Ziel des Unternehmens Sheraton ist, mit der Marke zu begeistern statt mit einer Sterne-Klassifizierung, warum gibt es dann in Deutschland fünf Sheraton-Hotels, von denen vier mit jeweils vier Sternen vom Dehoga klassifiziert sind?
Fakt ist: Mit Evonik-Industries sitzt in Essen ein Konzern, der im Jahr 2015 einen Umsatz von 13,3 Milliarden Euro erwirtschaftet hat und Wirkstoffe für die Pharmaindustrie herstellt. Fakt ist auch: In Düsseldorf finden jedes Jahr viele Messen statt, die für die Pharmaindustrie extrem wichtig sind.
Und deren Mitarbeiter wollen untergebracht werden.
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