Anschlag auf Sikh-Tempel: Bewährungsstrafe für Unterstützer
20-Jähriger aus Münster zu 20 Monaten Jugendhaft auf Bewährung verurteilt
Der junge Mann legte vor Gericht ein umfassendes Geständnis ab
Prozess gegen mutmaßliche Haupttäter steht noch aus
Essen/Münster.
So, wie Hilmi T. den Saal im Amtsgericht Münster betritt, erinnert er sofort an einen zu Attentaten bereiten Islamisten. Vermummt mit einem Schal um den Kopf ähnelt er IS-Terroristen aus Bekennervideos. Aber das Gericht glaubt dem 20-Jährigen, dass er die gewaltbereite Szene verlassen will, obwohl er zu der Gruppe gehörte, die den Sprengstoffanschlag auf den Essener Sikh-Tempel geplant hatte. Es verurteilt ihn am Freitag zu einem Jahr und acht Monaten Jugendstrafe auf Bewährung, außerdem muss er 100 Sozialstunden leisten und sich dem Aussteigerprogramm für Islamisten anschließen.
Hilmi T. saß beim Anschlag in Untersuchungshaft
„Er wird an einer engen Leine geführt werden“, erläutert seine Verteidigerin Iris Grohmann die gesamten Bewährungsauflagen für den Deutsch-Türken aus Münster. „Es ist zu hoffen, dass er diese Chance nutzt“, fügt sie hinzu.
An dem Essener Anschlag vom 16. April war Hilmi T. gar nicht beteiligt. Sein Alibi: Er saß in Untersuchungshaft, weil seine Mutter sich kurz zuvor bei der Polizei gemeldet hatte. Denn sie befürchtete, ihr Sohn werde sich nach Syrien absetzen und dort dem IS beitreten. So nahm die Polizei ihn am 27. März in der Nähe von Hildesheim fest. Er hatte ein verbotenes Springmesser mit neun Zentimeter Klingenlänge dabei.
Dass er sich tatsächlich dem IS in Syrien verpflichten wollte und die Ausreise plante, bestätigten die Ermittlungen nicht. Dafür erhärtete sich aber nach dem 16. April der Verdacht, dass er zur Gruppe der Essener Tempelbomber gehörte. Allerdings soll er nur bei der Vorbereitung eines „staatsgefährdenden“ Anschlags mitgewirkt haben, ohne schon konkret zu wissen, dass der Sikh-Tempel das Ziel ist.
Ungewöhnlich für einen 20 Jahre alten Heranwachsenden: Dass Gericht schloss die Öffentlichkeit komplett aus, „um die weitere Entwicklung“ des jungen Mannes durch eine öffentliche Berichterstattung nicht zu gefährden. Es bestehe zudem die Gefahr, dass er sich mit Öffentlichkeit zu sehr im Mittelpunkt sähe. Da war was dran angesichts der martialisch wirkenden Gesichtsvermummung, die er erst abnahm, als die Journalisten draußen waren.
Verurteilter chattete in Gruppe „Unterstützer des islamischen Kalifats“
Was ihm im Gerichtssaal vorgeworfen wurde, war bekannt. Denn die Gruppe um die in Essen angeklagten Yusuf T. (16) aus Essen, Mohamad B. (16) aus Gelsenkirchen und Tolga I. (17) aus Schermbeck hatte bereits am 2. Januar eine „Probesprengung“ im Gelsenkirchener Skater-Park in der Nähe der Ückendorfer Straße durchgeführt. Da soll Hilmi T. dabei gewesen sein.
Seit Ende 2015 soll Hilmi T. auch zu Chat-Gruppen in sozialen Netzwerken gehört haben. Eine davon nannte sich „Unterstützer des islamischen Kalifats“. Ganz offen wurde dort besprochen, dass man es ernst meine, dass man keine „Kindergartensachen“ durchführen wolle. Das Ganze gipfelte im Anschlag auf den Sikh-Tempel.
Hilmi T., der in der Schule Probleme und zuletzt keinen Job hatte, gehörte in dem Chat nicht zu den aktiven Mitgliedern. Allerdings forderte er dort nach ersten Polizeimaßnahmen gegen einzelne Mitglieder die Gruppe auf, alle Fotos zu löschen. Ein wenig Verfolgungswahn plagte ihn wohl auch, denn er soll in seinem Zimmer „Magie“ gefürchtet haben. Schließlich durfte er in Hamburg dabei sein, als sich der damals 16 Jahre alte Schermbecker Tolga I. das Recht herausnahm, ein junges Pärchen „nach islamischem Recht“ zu verheiraten.
Mit all dem soll Schluss sein. Wie Christoph Neukäter, Sprecher des Amtsgerichtes Münster versicherte, gestand Hilmi T. im Prozess die Taten und erklärte sich bereit, am Aussteigerprogramm teilzunehmen. Diese Chance will das Jugendschöffengericht ihm geben.