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John-Reed-Blutbad in Duisburg: Überlebender packt über Anschlag aus – „Das ist eigentlich unsere Schuld“

Im April 2023 stach ein Mann in einem Duisburger John-Reed-Fitnessstudio auf vier Besucher ein. Jetzt spricht eines der Opfer.

© Zoltan Leskovar / FUNKE Foto Services

Mord oder Totschlag? Das ist der juristische Unterschied

Der 18. April 2023 wird sich vielen Menschen in Duisburg auf grausame Art und Weise eingeprägt haben. In einem John-Reed-Fitnessstudio zückte ein 27-jähriger Syrer ein Messer, stach wahllos auf mehrere Männer ein, verletzte sie teils lebensgefährlich. Schon eine Woche zuvor hatte er in der Duisburger Altstadt einen Mann (†35) mit fast 30 Messerstichen niedergemetzelt.

Vor Gericht hieß es, der Attentäter sei Mitglied des so genannten „Islamischen Staates“ (IS) und habe in dem Duisburger Fitnessstudio Ungläubige töten wollen (>> DER WESTEN war live beim Gerichtsprozess dabei).

Yasin Güler (21) überlebte das Blutbad in Duisburg. Der Lehramtsstudent aus Oberhausen entschied sich an jenem 18. April 2023 spontan, bei John Reed in Duisburg zu trainieren – und verlor fast sein Leben. Ein Jahr nach dem Anschlag findet er nun in einem Podcast deutliche Worte.

Überlebender schildert John-Reed-Blutbad in Duisburg

„Ich bin dann leider dem Täter in die Arme gelaufen“, erinnert sich Yasin im Podcast „Brennpunkt“ an den grausamen Tag im April 2023. „Ich war also zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Auf der Treppe zum Fitnessstudio begegnete er noch Comedy-Star Abdelkarim – „und keine zehn Minuten später hat das dann begonnen.“

In der Umkleidekabine zückte der Attentäter plötzlich ein Messer, stach auf vier Männer ein, die er schwer verletzte. „Dort sind die Menschen nicht bekleidet. Dort können sich die Menschen nicht wehren, da gibt es keine Hanteln, da gibt es keine Werkzeuge, die meisten haben nichts dabei“, macht Yasin im Podcast deutlich.

John-Reed-Attentat in Duisburg. Foto: Zoltan Leskovar / FUNKE Foto Services

Der 21-Jährige betont zudem, dass der Messer-Mann seine Tat nicht geplant habe: „Er hat an dem Tag ein Probetraining gemacht, hat sich die Kabine zeigen lassen und ist dann mit dem Messer in die Sauna in den Saunabereich gegangen, um die Leute da abzustechen.“

Dass der Täter nicht mit dem Messer in ein anderes Fitnessstudio weiterzog und mehr Menschen angriff, sei dem Zustand zu „verdanken“, dass es Ramadan war. „Das war seine Aussage, er hätte gerne weitergemacht, aber da er ja gefastet hatte, war er zu erschöpft“, erinnert sich Yasin.

Überlebender Yasin ist Attentäter „nicht böse“

Der Attentäter wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Ob Yasin das Strafmaß angemessen findet? Seine Antwort im Podcast: „Ich würde den auch nicht gerne wieder in der Öffentlichkeit sehen, aber ich entscheide das nicht nicht und es kann sein, dass er sich vielleicht resozialisiert.“

Das mag für den ein oder anderen Hörer unerwartet versöhnlich klingen. Yasin betont auch, dass er dem Täter „nicht wirklich böse“ sei, „weil dieser Mensch einfach nur verwirrt war. Der hat eine Ideologie verfolgt, die nichts mehr mit Menschlichkeit oder sozialen Regeln zu tun hat. Er hat sich einfach wahrscheinlich von irgendwelchen Menschen bequatschen lassen, die ihn dann zu solchen Taten bewegt haben.“


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Und er wird sogar noch deutlicher: „Das ist eigentlich unsere Schuld. Weil wir es versäumt haben, ihn in die Gesellschaft zu integrieren. Er konnte kein Deutsch, er hat nie länger als sechs Monate gearbeitet, er hat Wohngeld bezogen. Er hatte gar nicht die Chance, davon abgehalten zu werden.“

Gleichzeitig pocht Yasin aber darauf, dass man nichts beschönigen und nicht wegblicken soll, wenn es um die Gefahr von islamistischen Gewalttaten geht: „Man muss der Realität ins Auge blicken und man muss etwas dagegen tun. Und ich glaube, dass wir solche Menschen schon an der Wurzel erfassen müssen“, meint der Oberhausener – und nimmt auch die Politik in die Pflicht: „Wir müssen dafür sorgen, dass wir solche Menschen, bevor sie überhaupt den Gedanken bekommen, so etwas zu tun, schon erreichen.“