Mit der Idylle im beschaulichen Dortmund-Schnee könnte es bald vorbei sein: Ein riesiger Windpark soll entstehen. Die Bürger protestieren nun.
Dortmund.
Vor knapp zwei Wochen haben die Anwohner des kleinen Stadtteils Schnee im Dortmunder Süden eine große Debatte eröffnet. Unter dem Motto „Rettet den Schnee“ protestieren sie gegen potenzielle Pläne, an der Blickstraße Windkraftanlagen von rund 215 Meter Höhe zu errichten. Wir haben alle Standpunkte zum Thema zusammengefasst.
Die Anwohner: Die Alarmglocken schrillen
Eine ganze Reihe von offiziellen Einsprüchen gegen das Vorhaben geht gerade bei der Stadt ein. Ariane Massier, Sprecherin der Initiative „Rettet den Schnee“: „Bei vielen schrillen die Alarmglocken.“ Für die Einsprüche nutzen die Bürger ein Muster einer Initiative aus dem Sauerland.
Wohl auch wegen des nicht geläufigen Namens „Großholthauser Mark“ hätten sich viele „nicht angesprochen gefühlt“, meint Ariane Massier. Dafür ist der Druck nun umso höher. Die Anwohner rund um die Blickstraße sammeln zudem Unterschriften und führen Gespräche mit Fachleuten. Für Januar plant die Bezirksvertretung Hombruch eine Bürgerinformationsveranstaltung mit Hintergründen zum Thema.
Windräder sollen Tiere bedrohen
Die Argumente der Initiative: Die Windräder würden viele Tierarten bedrohen und seien ein Eingriff in die intakte und geschützte Landschaft. Zudem befürchten sie gesundheitliche Folgen durch Infraschall. Schließlich sorgen sie sich auch über den Wertverlust ihrer Immobilien, die für die meisten eine langfristige Altersvorsorge sind.
In Gesprächen mit den „Rettet den Schnee“-Vertretern schwingen viele unterschwelligen Befürchtungen mit. Etwa die, dass bereits Verhandlungen zwischen Investoren und den Eigentümern der Felder geführt worden seien. Der Name einer möglichen Errichter-Firma, der „Ostwind-Gruppe“ mit Sitz in Regensburg, wurde schon genannt. Eine weitere Sorge ist laut Ariane Massier, dass Entscheidungen in der Unteren Landschaftsbehörde, in der unter anderem die großen Naturschutzverbände sitzen, nicht neutral gefällt würden, weil es dort Leute gebe, die ein Interesse am Bau von Windkraftanlagen hätten. Es sind Befürchtungen, die sich im Moment nicht durch Fakten belegen lassen.
Die Naturschützer: Suche nach Windkraft-Standorten in Dortmund ist schwierig
Thomas Quittek, Sprecher des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) in Dortmund, findet die aktuelle Diskussion im Dortmunder Süden „berechtigt“. Generell sei die Suche nach Standorten in einem dicht besiedelten Gebiet wie Dortmund schwierig. „Aber am Ende vermute ich, dass die Stadt wegen der Vorgaben des Landes nach der Linie verfährt, dass vier bis fünf Standorte bleiben werden“. Denn die Stadt muss eine Art Quote des Landes erfüllen. Auch, um später Rechtssicherheit gegenüber möglichen Investoren zu haben, die sie ohne die Konzentrationsflächen nicht hätte.
In den nördlichen Stadtteilen Brechten und Kemminghausen gab es bereits erfolgreichen Protest gegen die Riesen mit den Rotorblättern. „Man muss jeden Einzelfall prüfen“, sagt Quittek.
Dabei gibt es klare Vorgaben. So werden bei der Frage nach dem Artenschutz nur „planungsrelevante Arten“ als Hemmnis gesehen, also solche, die geschützt sind. Dazu gehören etwa Vogelarten wie Rohrweihe oder Rotmilan. Letzterer war beim Sportplatzbau in Kurl ein wichtiger Faktor, erstere wurde in Brechten nachgewiesen. „Nach den bisherigen Untersuchungen gibt es solche Arten in der Großholthauser Mark nicht. Aber das muss jetzt noch einmal überprüft werden. Zudem können die Anwohner andere Fragen mit einbringen, etwa was an Schattenwurf oder Lärm zumutbar ist“, sagt Thomas Quittek. Zudem ist ein „Landschaftsschutzgebiet“ wie die Großholthauser Mark nicht von der Nutzung für Windkraft ausgenommen. Sonst käme in Dortmund nahezu keine Fläche in Frage. Nur Naturschutzgebiete sind laut des NRW-Windenergieerlasses tabu.
Die Politik: Umweltamt in Hagen entscheidet
Eine Entscheidung über die endgültige Festsetzung der Flächen für Windkraftanlagen in Dortmund könnte Anfang 2017 im Stadtrat fallen. Dass Flächen für mehr Windkraft in Dortmund vorgehalten werden, hat seine Grundlage in einem Windenenergieerlass der rot-grünen Landesregierung. Die Genehmigung erteilt am Ende das Umweltamt in Hagen, das auch für Dortmund zuständig ist. Bisher liegen keinerlei offizielle Anträge für den Bau von Anlagen vor, betont die Stadt.
Das Unternehmen: Planungen noch nicht mal im Entwurfsstadium
Auf Anfrage dieser Redaktion antwortete die angeblich an den Planungen beteiligte „Ostwind“-Gruppe zu seinen Aktivitäten in Dortmund: „Da das Flächennutzungsplanverfahren der Stadt Dortmund als Trägerin der kommunalen Planungshoheit noch nicht einmal das Entwurfsstadium erreicht hat, ist es zu früh, um über mögliche Geschäftsaktivitäten von Ostwind auf Dortmunder Stadtgebiet Auskunft geben zu können.“ Ostwind-Sprecher Christoph Markl-Meider signalisiert aber Auskunftsbereitschaft, „wenn ein entsprechendes Windenergieprojekt in Dortmund konkret werden würde.“ Ganz ausgeschlossen scheint ein Engagement also nicht zu sein. Zumal das in Bayern gegründete Unternehmen gerade verstärkt in anderen Bundesländern aktiv ist, seit Gerichte im Freistaat sehr strenge Abstandsregelungen festgelegt haben („10H-Regelung“).
Der Eigentümer: Windräder sind finanziell lukrativ
Frank Oehmchen ist einer von mehreren Eigentümern der Felder, auf denen die Windräder entstehen könnten. Er gibt sich abwartend. „Das ist alles noch nicht spruchreif“, sagt er über die Zukunft seiner Grundstücke. „Aber ich sage auch offen: Wenn es die Chance gibt, so etwas auf seiner landwirtschaftlichen Fläche zu verwirklichen, ist das finanziell lukrativ.“ In Zeiten, „in denen die Landwirtschaft nicht auf Rosen gebettet ist“, müsse die Möglichkeit gegeben sein.
Derzeit gibt es drei Konzentrationszonen für Windkraft: Steinsweg, Salinger Feld, Ellinghausen. Im neuen Konzept wurden insgesamt zehn Flächen vom Ingenieurbüro Ökoplan untersucht. Die Einschätzung zur Großholthauser Mark im Wortlaut: „Insbesondere aufgrund der hohen Vorbelastung bzw. Nähe zur A 45, trotz der hohen Bedeutung für die Erholungsnutzung, insgesamt geeignet bzw. bedingt geeignet aufgrund der Lage innerhalb der 450-m-Zone zu Wohngebäuden.