Zum Start des 627. Maiabendfestes schießen die Maischützen gegen Stadt und Rat. Sie vermissen die Wertschätzung der Bochumer Traditionen.
Bochum.
Der Himmel hatte blau-weiß geflaggt. Doch zum Auftakt des Maiabendfestes grollte ein kräftiges verbales Gewitter. Die Maiabendgesellschaft wirft Stadt und Rat mangelnde Wertschätzung des ältesten Bochumer Brauchtums vor.
„Ich bin enttäuscht, nein: wütend darüber, wie im Kulturausschuss, im Rat und im Rathaus eine Tradition von 627 Jahren missachtet wird!“, schimpfte Vorsitzender Karl-Heinz Böke bei der Fest-Eröffnung auf dem Boulevard. „Die Symbole und der Name der Stadtgründer Bochums werden immer mehr aus dem Stadtbild verdrängt“, ergänzt die Bürgergilde, eine selbstständige Gruppe der Maiabendgesellschaft. „Auf Drängen einer Kneipenszene“ sei 2013 zunächst der Brunnen des Grafen Engelbert von seinem ursprünglichen Platz entfernt worden, um mehr Sitzflächen zu schaffen. „Jetzt steht das Denkmal verloren an der Seite“, bedauert Karl-Heinz Böke. Nun verschwinde Engelbert zugunsten des Musikforums auch als Namensgeber der Stadtbahn-Haltestelle im Bermuda-Dreieck.
Geschichte vs. Kneipenszene
„Warum ist die Bevölkerung, warum sind wir vorher nicht gefragt worden? Haben Tradition und Geschichte hier ihre Daseinberechtigung verloren?“, fragt Karl-Heinz Böke und sagt voraus: „Ein Maiabendfest wird es in Bochum noch in 100 Jahren geben. Ein Bermuda-Dreieck vielleicht nicht mehr.“
Den Misstönen zu Beginn (zu denen Bürgermeisterin Gabriele Schäfer in ihrer Eröffnungsrede jedwede Antwort schuldig blieb) folgten Harmonie und Frohsinn. Bei kühlem, aber trockenem Wetter sorgten die Koblenzer Rock’n’Roller „The Wild Bobbin Baboons“ am Donnerstagabend für einen gelungenen Auftakt, während der Mittelaltermarkt mit historischem Handwerk, Gaukelei, Speis und Trank vor allem die Familien anlockte.
Am sonnigen Freitag stand zunächst die Vergabe des vom Hannibal-Center gestifteten, mit 1000 Euro dotierten Gewaltfrei-Preises der Maischützen an die Integrative Kindertagesstätte der Diakonie an der Wasserstraße im Mittelpunkt, bevor traditionell zum Ökumenischen Gottesdienst gebeten und zum Zapfenstreich geblasen wurde.
Mit dem Einmarsch der Maischützen und ihrer Begleiter von Harpen in die Innenstadt erreicht das Stadtfest am Samstag seinen Höhepunkt. Gegen 15.30 Uhr werden die Teilnehmer aus rund 100 Vereinen und Gruppen in der City erwartet. Das musikalische Glanzlicht setzt das Schauspielhaus. Ab 21 Uhr gibt’s auf der Bühne am Kuhhirten Ausschnitte aus Produktionen von „Bochum“ bis Johnny Cash. Am Sonntag ist Familientag (ab 11 Uhr).