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Die Kinder vom Hauptbahnhof Bochum – wo bereits 14-Jährige an Heroin kommen

Die Kinder vom Hauptbahnhof Bochum – wo bereits 14-Jährige an Heroin kommen

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Der Buddenbergplatz am Hinterausgang des Hauptbahnhofs ist Treffpunkt der Bochumer Drogenszene. Foto: Alexander Keßel
  • Der Bochumer Buddenbergplatz ist als Treffpunkt für Drogenabhängige bekannt
  • Hier mischen sich auch Jugendliche unter die etablierte Szene
  • Das hat erschreckende Konsequenzen

Bochum. 

Der Buddenbergplatz in Bochum. Ein typischer Hinterausgang eines Hauptbahnhofs der 50er-Jahre. Betonverbaut führt der Weg geradewegs in eine Tiefgarage. Hier lädt wenig zum Verweilen ein.

Dennoch steht hier ein fest installiertes Urinal. Ein Versuch der Stadt, dem Ort eine gewisse Würde zu verleihen. Um eine kleine vermüllte Grünfläche herum sammelt sich für gewöhnlich die Bochumer Drogenszene.

„Dort ballern sich die Leute alles rein: Medikamente, Alkohol, Amphetamin und Heroin“, sagt Sozialarbeiter Torsten Polesch während eines Besuchs in der Krisenhilfe Bochum.

Heroin-Überdosis mit 14

Der Bereichsleiter des Konsumraums ist mit anderen Trägern in Bochum gut vernetzt. Er sagt: „In letzter Zeit hängen am Buddenbergplatz vermehrt Jugendliche und junge Erwachsene zusammen mit den Alteingesessenen ‚auf einer Platte‘ rum.“ Die Kids – das sind häufig Ausreißer ohne festen Wohnsitz.

Sie wollen sich betäuben, manchmal einfach nur eine Nacht wach bleiben, um nicht in die Notschlafstelle zu müssen. Gras, Bier, Schnaps, Speed oder auch Ecstasy-Pillen. Solche Drogencocktails sind für sie normal.

Doch hinter dem Bochumer Hauptbahnhof geht es um mehr: „Dort haben manche Straßenkids teilweise das erste Mal Zugang zu härterem Stoff.“

Krankenwagen steht regelmäßig am Buddenbergplatz

Härterer Stoff – das ist Heroin. Manche überschätzen sich. Wer kennt seinen Körper schon als Jugendlicher? Die Folge: Heroin-Überdosis mit 14 Jahren. Nach Informationen von DER WESTEN steht deshalb regelmäßig ein Krankenwagen am Buddenbergplatz.

Heroin – das bedeutet Elend und grenzenlose Abhängigkeit. Die abhängigen Kids werden kriminell, um ihre Sucht bezahlen zu können. Manchen bleibt nur ein Ausweg: ihren Körper für Sex zu verkaufen.

„Da spielt das Alter leider keine Rolle“, sagt Polesch. Er beobachtet die Entwicklung mit Sorge: „Die Situation erinnert mich ein wenig an ‚Die Kinder vom Bahnhof Zoo‘.“ Zum Zeitpunkt der Biographie war Deutschland Europas größter Heroin-Markt. Von einem vergleichbaren Ausmaß wie in den 1970ern ist Bochum jedoch entfernt.

Was sagen Stadt und Polizei?

Die Stadt Bochum hat nach eigenen Angaben „keine Erkenntnisse über ein vermehrtes Auftreten jugendlicher Kosumenten am Buddenbergplatz“.

Ein Sprecher der Polizei bestätigt die Vermischung von jugendlichen und erwachsenen Süchtigen am Buddenbergplatz hingegen. Es handle sich um wenige Einzelfälle. Jugendliche aus „extrem schwierigen sozialen Verhältnissen, die zeitweise in Jugendheimen untergebracht waren oder sind“.

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Polizei: Für Prävention ist es schon zu spät

Teilweise seien die Kids bereits „massiv wegen diverser Delikte“ auffällig geworden. Sowohl in Bochum als auch in ihren „Herkunftsstädten“, so der Polizeisprecher. Die Beamten gehen davon aus, dass sich die Jugendlichen am Buddenbergplatz aufhalten, weil dort der Zugang zu Drogen leicht möglich sei.

Ansätze für eine vorbeugende Drogenberatung sieht die Polizei nicht. Dafür sei es bereits zu spät, die Jugendlichen schon zu tief in den Drogensumpf geraten. Stattdessen stehe die Polizei im engen Kontakt mit dem Jugend- und Ordnungsamt sowie der Bochumer Krisenhilfe.

Grenzenlose Abhängigkeit durch Heroin

Dass junge Konsumenten mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ist für die Sozialarbeiter der Krisenhilfe kein Geheimnis. Drogen seien ja nicht umsonst. Viele würden innerhalb kürzester Zeit häufig von der Polizei aufgegriffen. Beim Schwarzfahren oder beim Klauen. Tendenziell gehe es um kleinere Delikte. Die Summe mache es jedoch.

Viele Konsumenten würden in eine Schleife geraten. In der JVA landen oder Strafen abbezahlen müssen. Um das zu bewerkstelligen, würden viele keine Alternative zur Beschaffungskriminalität sehen.

Nur wenige Kids steigen auf Heroin um. Doch wer abstürzt, sieht keine Grenzen mehr, keine Freunde, keine Familie – es geht nur noch um den nächsten Kick.

Wie kann man den süchtigen Kids helfen?

Den süchtigen Jugendlichen zu helfen, ist sehr schwierig. Viele der Kids sind nirgendwo gemeldet, pendeln von Couch zu Couch oder übernachten in Notschlafstellen. Manche werfen sich Speed ein, damit sie über Nacht wach bleiben können.

Es gibt Suchtberatungsstellen und Anlaufpunkte für Jugendliche in Bochum. Die Stadt ist mit Streetworkern im Einsatz.

Trügerische Freiheit am Buddenbergplatz

Wenn mit Hilfe von Jugendeinrichtungen ein Platz in der Entzugsklinik organisiert werden kann, landen die Jugendlichen auf einer Warteliste. Bis ein Entgiftungsplatz frei wird, müssen sie sich jeden Tag telefonisch bei der Klinik melden. So sollen sie ihre Motivation demonstrieren.

Doch nach Angaben der Sozialarbeiter schaffen viele drogenabhängige Kids das nicht. Schließlich seien sie aus unterschiedlichen Gründen aus dem System ausgebrochen: Gewalterfahrungen, Beziehungsprobleme oder selbstzerstörerische Tendenzen. Was viele nicht wollen: Regeln.

Dem gegenüber steht die Drogenszene. Sie ist integrativ. „Egal, wer man ist – man wird eben aufgenommen“, sagt ein Sozialarbeiter. Am Buddenbergplatz fühlen die Kids sich zugehörig – zu einem hohen Preis.