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Boxer Manuel Charr vor WM-Kampf: „Das ist nur ein Stück Papier“

Boxer Manuel Charr vor WM-Kampf: „Das ist nur ein Stück Papier“

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Manuel Charr beim Training vor seinem WM-Kampf Foto: dpa

Düsseldorf. 

Im Düsseldorfer Fitness-Studio, wo sich Manuel Charr auf seinen anstehenden WM-Kampf vorbereitet, hängt ein Plakat mit sechs Regeln.

Nummer eins: Glaube an dich. Nummer zwei: Breche einige Regeln. Nummer drei: Hab keine Angst zu scheitern.

Nummer vier: Ignoriere die Nein-Sager. Nummer fünf: Arbeite wie in der Hölle. Nummer sechs: Gib etwas zurück.

Boxer Manuel Charr will seinen WM-Titel verteidigen

Manuel Charr hat jede Regel befolgt, er könnte sogar der Urheber dieser Regeln sein. Befolge sie, und mit etwas Glück legst du eine einzigartige Karriere hin, eine wie der Kölner Schwergewichtsboxer, der am 29. September in seiner Heimatstadt Köln den WBA-Titel gegen Fres Oquendo verteidigen will.

Den Glauben an sich scheint der „Diamond Boy“ nie zu verlieren. Nicht als kleiner Junge im libanesischen Bürgerkrieg, nicht als Geflüchteter auf den Straßen Essens („Ich musste mich jeden Tag prügeln“), nicht nach einer WM-Niederlage 2012 gegen Vitali Klitschko. Nicht nach dem Bauchschuss 2015 an einer Essener Dönerbude. Nicht nach einer Hüftoperation 2017.

Charr hat noch keinen deutschen Pass

Im vergangenen Jahr kämpfte Manuel Charr in Oberhausen um den Titel der World-Boxing-Association gegen den Russen Alexander Ustinov. Die WBA führt mit Klitschko-Bezwinger Anthony Joshua noch den Super-Champion, doch die Fans fieberten dem ersten Schwergewichtsweltmeister seit Max Schmeling (1932) entgegen. Der Richter im Strafprozess nach dem Attentat auf Charr gehörte ebenso zu den Nein-Sagern wie die Mediziner nach der Hüft-Operation. Zwei künstliche Hüftgelenke und Weltmeister? Das passte für sie nicht zusammen. Charr befolgte die Regeln drei, vier und fünf und wurde am 25. November Weltmeister. Und dann sollte Regel Nummer sechs kommen: Gib etwas zurück. Der Kölner widmete den Gürtel Deutschland. Doch dann wurde bekannt, dass der 33-Jährige keinen deutschen Pass hat.

Vor dem WM-Kampf gegen den 45-jährigen Puerto-Ricaner Oquendo hat sich daran nichts geändert. Charr hat immer noch keinen deutschen Pass. Hinderungsgrund für die Einbürgerung sei wohl auch ein Steuerverfahren gegen den 33-Jährigen (Regel Nummer zwei), erklärt Manager Christian Jäger. „Wir haben erst spät davon erfahren, sonst hätten wir uns gleich darum gekümmert“, sagt Jäger. „Soweit ich das überblicken kann, ist das keine dramatische Geschichte.“ Details könne er nicht verraten, da es sich um ein schwebendes Verfahren handele. Wann Charr seinen deutschen Pass bekommt, ist unklar. Bis zum Kampf sehr wahrscheinlich nicht.

Charr kann das nicht verstehen: „Ich spreche deutsche, ich lebe in Deutschland, es ist nicht wichtig, was ein Stück Papier sagt“. Am 29. September werde er in der Kölner Arena mit der deutschen und der syrischen Fahne einmarschieren. „Ich fühle mich als Deutscher. Daran hat sich nichts geändert, und daran wird sich auch nichts ändern.

Manager Jäger kann darüber ebenfalls nur den Kopf schütteln. „Manuel wohnt seit 29 Jahren hier. Da versteht man die Welt nicht mehr“, sagt er dieser Redaktion. „vor allem wenn man sieht, wie leicht manche Fußballer eingebürgert werden können.“ Charr sei in der Vergangenheit, vor Jägers Zeit, schlecht beraten worden, aber „jetzt sind alle Vorrausetzungen erledigt“.

Charr nach OP wieder beweglich

Ablenken lässt sich Charr nicht, sagt Jäger. „Er hat im Moment einen kleinen Haken dahinter gesetzt“. Regeln Nummer eins. Charr konzentriert sich jetzt auf den Kampf gegen Oquendo und befolgt Regel Nummer fünf: Arbeite wie in der Hölle. Am Mittwoch demonstrierte er in Düsseldorf seine Fitness, seine durch die OP gewonnene Beweglichkeit. „Manuel hat sich komplett weiterentwickelt. Er ist nicht mehr so steif“, sagt Trainer Sükrü Aksu dieser Redaktion. „Man darf nicht vergessen: der Mann war fast tot. Zeig mir einen Sportler, der diese Vergangenheit hat.“ Aksu hat sich Herausforderer Oquendo bereits live angesehen. Das Alter, sagt er, „spielt überhaupt keine Rolle. Boxen verlernt man nicht. Er ist mit seiner Erfahrung ein ganz anderes Kaliber als Ustinov“.

Charrs Ziel ist ein „Punkt- oder K.o.-Sieg“, sagt der Kölner. Danach will er weiter an seiner Boxergeschichte schreiben. Am 22. September kämpft der Brite Anthony Joshua gegen den russischen Ex-Weltmeister Alexander Povetkin. „Wenn wir beide unsere Pflichtherausforderungen hinter uns haben, hoffe ich, dass wir gegeneinander kämpfen können“, sagt Charr. Ob mit oder ohne deutschen Pass.