Neuss. Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein hat gedopt und ist für zwei Jahre gesperrt worden. Pechsteins Anwalt kündigte allerdings bereits den Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof an.
Schock für den deutschen Sport: Die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein ist des Blutdopings überführt worden. Wie die Internationale Eislauf-Union (ISU) mitteilte, wurden bei der 37-Jährigen bei der Mehrkampf-WM im vergangenen Februar in Hamar auffällige Blutwerte festgestellt. Die ISU hat die Berlinerin für zwei Jahre bis zum 9. Februar 2011 gesperrt.
Pechstein, die Deutschlands erfolgreichste Winterolympionikin ist, kann damit nicht an den Spielen im kommenden Jahr in Vancouver teilnehmen. Pechsteins Anwalt kündigte allerdings bereits den Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne an. ‚Es hat keinen positiven Dopingbefund gegeben. Claudia ist anhand von Indizien verurteilt worden. Wir legen natürlich Einspruch vor dem CAS ein‘, sagte ihr Anwalt Simon Bergmann dem Sport-Informations-Dienst (SID). Die ISU verwies in ihrem Statement auf ‚abnormale Werte und abnormale Veränderungen‘ im Blutprofil Pechsteins. Nach Angaben der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) handelt es sich um eine erhöhte Anzahl von Retikulozyten, einer Vorstufe der roten Blutkörperchen. ‚Andere Blutwerte, die auf Doping hindeuten könnten – etwa Hämoglobin oder Hämatokrit -, waren unauffällig.
Die ISU stützte ihren Vorwurf darauf, dass ein erhöhter Retikulozytenwert nur durch Blutdoping zu erklären sei‘, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Pechsteins Anwälten und DESG-Präsident Gerd Heinze: ‚Pechstein weist den Vorwurf des Blutdopings zurück. Sie wurde in den letzten Jahren intensiv in zahlreichen Trainings- und Wettkampfkontrollen gestestet, ohne dass je eine Dopingsubstanz gefunden wurde. Im Verfahren hinzugezogene Sachverständige hielten die von der ISU erhobenen Daten wegen offenkundiger Fehler nicht für verlässlich.‘ Mögliche Ursachen eines erhöhten Retikulozytenwertes könnten in einer Krankheit oder Anomalie des Blutes liegen. Aufgrund eines einzelnen Blutwertes sei ein verlässlicher Dopingnachweis nicht zu führen, hieß es in der Pressemitteilung weiter.
Pechstein bot demnach an, sich auf mögliche Anomalien untersuchen und weitere Tests durchführen zu lassen. ‚Die DESG steht an der Seite der Athletin und geht bis zur rechtskräftigen Verurteilung von ihrer Unschuld aus.‘ Pechsteins Trainer Peter Mueller reagierte reserviert auf den Dopingfall seines Schützlings. ‚Dies ist ein Problem der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft, keins des norwegischen Verbandes‘, sagte Pechsteins Coach, der gleichzeitig Nationaltrainer der Skandinavier ist.
Mueller wies ausdrücklich darauf hin, dass Pechstein in der vergangenen Saison ’nicht nur bei mir, sondern auch bei Bart Schouten und Achim Franke in Berlin trainiert hat‘. Der norwegische Verband werde die ISU bei der Aufklärung des Falles unterstützen, sagte Mueller. Der Verhängung der Sperre ging ein zweitägiges Treffen der ISU-Disziplinarkommission am 29. und 30. Juni in Bern voraus. Dort wurden Zeugen und Experten angehört. Danach wurde die Sperre ausgesprochen. Pechstein hatte die Mehrkampf-WM im Februar in Norwegen nach dem ersten von zwei Tagen und zwei von vier Disziplinen auf dem dritten Rang liegend abgebrochen.
Offizielle Begründung damals war ein grippaler Infekt. ‚Es kam völlig überraschend. Es ist bitter, ich hätte hier gerne eine Medaille mitgenommen, aber an Eislaufen ist derzeit unmöglich zu denken‘, hatte Pechstein damals gesagt. Die Berlinerin war vor der Mehrkampf-WM in der abgelaufenen Saison in Heerenveen Europameisterin geworden und hatte auch beim Weltcup in Moskau mit zwei ersten Plätzen überrascht. Nach ihrer vorzeitigen Abreise aus Hamar absolvierte Pechstein kein einziges Rennen mehr und sagte auch ihre Teilnahme am Saisonhöhepunkt, der Einzelstrecken-WM in Vancouver, ab. Offizielle Begründung: Trainingsrückstand. In der Olympiastadt Vancouver sorgte dann die niederländische TV-Moderatiorin Ria Visser mit Dopinganschuldigungen gegen das deutsche Team für Aufsehen. Namentlich nannte sie Pechstein, ohne allerdings stichhaltige Beweise vorlegen zu können.
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Die DESG überprüfte damals eine Klage gegen Ex-Eisschnellläuferin Visser, zu der es aber nie kam. Pechstein ist mit fünf Gold-, zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen erfolgreichste deutsche Olympionikin bei Winterspielen. Insgesamt holte sie sechs WM-Titel und 26 Weltcupsiege. Vor allem auf den beiden Langstrecken gehört Pechstein seit über zehn Jahren zur absoluten Weltspitze. Ihren letzten Olympiasieg holte sie 2006 mit dem Team in Turin. Der Eisschnelllauf ist in den vergangenen Jahren von spektakulären Dopingfällen verschont geblieben. Die einzigen größeren Fälle waren die der weißrussischen Sprinterin Angelika Kotjuga im Jahr 2005 und der Russin Sevtlana Fedotkina im Jahr 1996.
Vor kurzem sorgte in den Niederlanden ein 15-Jähriger Nachwuchsläufer für Schlagzeilen, in dessen Körper ein um das 35fache erhöhter Nandrolon-Wert festgestellt wurde. (sid)