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Nur vier Zentimeter bis nach London

Noch vier Zentimeter bis nach London

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Foto: WP
Eine Kindheitstraum könnte wahr werden. Die 19-jährige Nadja Kampschulte aus Wetter ist wenige Zentimeter von der Olympia-Teilnahme entfernt.

Dortmund. 

Um drei Uhr nachts knipste sie das Licht an und nahm die Deutschlektüre in die Hand, „und da konnte ich das alles zum ersten Mal so richtig glauben“: Plötzlich trennen die 19-Jährige nur noch wenige Zentimeter von ihren Kindheitsträumen Olympia und Europameisterschaft. Mit ihrem Sprung über 1,91 m auf den Westdeutschen Meisterschaften in Leverkusen holte Nadja Kampschulte nicht nur den Titel. Die Schülerin aus Wetter führt die deutsche Bestenliste an – vor Weltklassespringerin Ariane Friedrich.

Das war nicht geplant. Eigentlich war das Saisonziel doch „nur“ Abitur. Und auf einmal steht da ein Fernsehteam des WDR vor der Tür, flattern Einladungen zu Weltklassemeetings ins Haus. Und um eine Frage kommt die Schülerin nicht herum: Könnte es klappen, mit einem Ticket nach London? Nadja Kampschulte zuckt mit den Schultern und lächelt. Scheinbar würde sie diese Frage am liebsten umgehen. Ein „Nein“ geht ihr aber auch nicht über die Lippen. Um vier Zentimeter müsste sich Kampschulte steigern, um die olympische A-Norm von 1,95 m zu springen. Schon der Versuch bei den Westdeutschen Meisterschaften über 1,93 m scheiterte nur sehr knapp. Trotzdem nennt Hochsprung-Bundestrainerin Brigitte Kurschilgen zunächst einmal das Ziel Europameisterschaft in Helsinki. Hierfür könnte sich Kampschulte schon mit einem Sprung über 1,92 m ein Ticket lösen. Das wäre ein enormer Erfolg für die 19-Jährige, die gerade einmal das erste Jahr in der offenen Klasse startet und hauptberuflich die Schulbank drückt.

Die Springerei ist dabei nur ein Hobby, wie Kampschulte erklärt. „Etwas bei dem an erster Stelle einfach nur der Spaß steht“. Wenn Nadja aus der Schule kommt, schmeißt sie die Tasche in die Ecke, „ich schmiere ein paar Hausaufgaben hin“, und dann geht es ab auf den Sportplatz.

Mit einem kleinen Unterschied zu anderen Hobbys: Nadja trainiert sechs Mal die Woche. Drei Mal davon fährt sie bis nach Dortmund, wo sie zusammen mit Bundestrainerin Kurschilgen in der Helmut-Körnig-Halle trainiert. Und dann gibt es da noch eine kleine Auffälligkeit: Im Unterschied zu vielen Jugendlichen, die wie Nadja noch so vieles andere als Schule im Kopf haben, schreibt das Mädchen mit den braunen Locken auch noch gute Noten. „Mmh, ne, 1,5 sollte mein Schnitt schon werden, wer so viel Sport macht wie ich, hat keine Zeit, um in der Schule schlecht zu sein“, sagt die Jugendliche ernst.

Eines ihrer Erfolgsrezepte dabei könnte sein, dass Nadja viele ihrer sportlichen Erfahrungen auf die Schule übertragen kann, erklärt sie. Nirgendwo anders als im Sport habe man so viele positiv und negativ Erlebnisse mit denen man lernen muss, klar zu kommen. „Und dabei wird mir auch immer wieder bewusst, was ich schaffen kann“, so die Schülerin. Generell aber lautet Nadjas Devise: Nie zu viele Gedanken machen und auch nicht ständig nach dem Sinn fragen: „Ich meine, was macht es schon für einen Sinn, über so eine Stange zu springen“, sagt sie und lacht.

Nadja Kampschulte lacht sehr gerne. Und sie freut sich auf den nächsten Wettkampf. Am letzten Februarwochenende wird sie auf den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe gegen Ariane Friedrich antreten und um den Titel kämpfen. „Eigentlich sehe ich Ariane nicht als Konkurrentin, die ist einfach ein Kaliber höher als ich“, sagt Kampschulte. Doch der Blick auf die Bestenliste zeigt: Die Chance auf Gold ist drin.Vor der Freiluftsaison geht es dann erst einmal ab ins Trainingslager. Gleich zwei Mal, erst vor den schriftlichen und dann noch einmal vor den mündlichen Abiturprüfungen. „Wie ich das schaffen werde, weiß ich noch nicht ganz genau“, rätselt Nadja Kampschulte. Aber sie ist — wie sollte es anders sein – zuversichtlich. „Die Matheaufgaben rechne ich dann eben zwischen den Trainingseinheiten in Südportugal aus“.