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Wie Klaus Toppmöller die beste Bochumer Mannschaft aufbaute

Wie Klaus Toppmöller die beste Bochumer Mannschaft aufbaute

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Bildnummer: 00072269 Datum: 10.07.1998 Copyright: imago/Team 2 Coach Klaus Toppmöller im Gespräch mit Neuzugang Maurizio Gaudino (li.); Trainer, Neuzugänge, Neueinkauf, Neueinkäufe Saison 1998/1999: VfL Bochum, Präsentation, Vorstellung, Mannschaftsvorstellung, Kader Bochum Ruhrstadion Fußball 1. BL Herren Mannschaft Deutschland Gruppenbild optimistisch Randmotiv Personen ### Imported per Email (2010-08-17 23:27) ### From: a.ernst@derwesten.de Subject: vfl Content: vfl Foto: Imago
Klaus Toppmöller veränderte den VfL Bochum. Der Trainer wollte sein Team nicht länger nur kämpfen,sondern vor allem auch spielen sehen. So brachte er den Außenseiter 1997 in den Uefa-Cup – zwei Jahre später aber verließ er den Verein wieder. Nnd spricht nun im Interview über seine Zeit beim VfL.

Rivenich. 

Das Treffen mit Klaus Toppmöller findet in seinem Geburtshaus in Rivenich statt, dort, wo seine Eltern einst die „Salmtalschänke“ betrieben. Obwohl der Nachfolger „Toppis Sportsbar“ derzeit keinen Pächter hat, bildet er den heimlichen Ortskern der 700-Seelen-Gemeinde. „Ich habe mich, wie Sie vermutlich denken, aus einem Hundsdorf nach oben gedient“, beginnt Toppmöller. Es ist der Auftakt zu einer Reise in die 90er-Jahre, als der heute 61-Jährige mit dem Aufsteiger VfL Bochum in den Uefa-Cup stürmte. An deren Ende steht die Beantwortung einer großen Frage: Wie ist es dem Diplom-Ingenieur gelungen, die beste Mannschaft aufzubauen, die der VfL je hatte?

Wie fing das an mit Ihnen und dem VfL Bochum?

Klaus Toppmöller: Ich hatte Dynamo Dresden im November 1994 schon mündlich zugesagt. Die wollten, dass ich sofort unterschreibe, aber ich habe noch etwas gezögert. Und plötzlich kam der Anruf von VfL-Manager Klaus Hilpert. Innerhalb von zwei Stunden haben wir uns in der Autobahnraststätte Brohltal getroffen und waren uns schnell einig. Am nächsten Morgen war ich schon in Bochum.

Ein Jahr zuvor hatten Sie noch mit Eintracht Frankfurt um die Meisterschaft gespielt. Wie haben Sie es empfunden, plötzlich einen Abstiegskandidaten zu trainieren?

Toppmöller: Ich bin ein familiärer Mensch und konnte überhaupt nicht mit den Medien. Darum war ich froh, dass ich in Bochum recht ruhig arbeiten konnte. Dortmund und Schalke hatten eine ganze Seite in der Zeitung, wir nur einen kleinen Abschnitt.

Sie haben nie den Eindruck erweckt, das Scheinwerferlicht zu meiden.

Toppmöller: Es ist aber so. Ich habe bestimmt schon 1000 Fernsehsendungen abgesagt, weil ich öffentliche Auftritte hasse. Ich sitze lieber bei einem Glas Wein an der Mosel und habe meine Ruhe. Das ist mein Naturell.

Was für eine Mannschaft haben Sie in Bochum angetroffen?

Toppmöller: Eine Mannschaft, die zu hoch bezahlt war und die die falschen Führungspersönlichkeiten hatte. Hilpert hatte mich vorgewarnt, dass alles aus der Kabine nach draußen dringt. Also habe ich einzelnen Spielern bewusst Informationen gegeben. Danach wusste ich schnell, wem ich vertrauen konnte.

Wie gefiel Ihnen das Leben in Bochum?

Toppmöller: Ich hatte ein Haus in Bochum-Stiepel. Aber da habe ich mich sehr unwohl gefühlt, weil ich allein war. Meine Familie wollte ich ja nicht mitholen, weil die Kinder in Rivenich aufwachsen sollten und ich einen Platz haben wollte, an dem wir sesshaft werden. Nach einem halben Jahr bin ich ins Hotel gezogen, weil ich unter Leute kommen wollte. Abends bin ich meistens in den Rathauskeller zum Essen gegangen. Da waren ein paar Fußballverrückte drin, und meine Getränke brauchte ich nicht zu bezahlen.

Wie gelang es Ihnen eigentlich, das Kurzpassspiel in der Bochumer Kämpfertruppe zu etablieren?

Toppmöller: Ich brauchte die richtigen Charaktere dafür. Es regt mich so was von auf, wenn die Leute im Stadion „Wir wollen euch kämpfen sehen“ rufen. Es sollte besser heißen „Wir wollen euch spielen sehen“. Aber die Truppe war fußballerisch eine Katastrophe und stand zurecht unten. Es war meine Bedingung, dass ich eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen durfte. Es ging dann nach dem Abstieg darum, die Spieler zu entsorgen, die noch Erstligaverträge hatten. Das war hart, aber so konnte ich eine Mannschaft aus dem Nichts aufbauen.

Der direkte Wiederaufstieg gelang tatsächlich. Und am zweiten Bundesligaspieltag trotzten Sie den Bayern in München ein 1:1 ab.

Toppmöller: Wir waren klar besser. Ab diesem Zeitpunkt wussten die Jungs, dass sie es mit jedem aufnehmen können. Das war unser wichtigstes Spiel der Saison.

Ihre Mannschaft war taktisch sehr variabel.

Toppmöller: Mit Dortmund, Bayern oder Leverkusen konnten wir uns nur messen, indem wir taktisch kompakt standen. Mir war dennoch wichtig, dass wir nie ängstlich gespielt haben, sondern immer nach vorne.

Hat sich die Spielweise Ihrer Mannschaft gewissermaßen Ihrem Charakter angepasst?

Toppmöller: Ich war forsch, aber ich habe mir auch Mühe gemacht. Damals war ich im Prinzip verrückt. Ich habe symmetrische Untersuchungen gemacht und wusste über jeden Spieler alles. Ich habe auch ein bisschen Psychologie studiert, weil die Motivation meiner Meinung nach das A und O im Fußball ist.

Der VfL zog durch ein 6:0 gegen St. Pauli am 33. Spieltag in den Uefa-Cup ein. Wie lief die Party ab?

Toppmöller: Ich feiere nicht oft, aber was nach dem Spiel ablief, war eine Sensation. Ich habe geheult, weil ich gar nicht glauben konnte, dass das wirklich passiert ist. Anschließend sind wir in eine Disco gezogen, und ich habe für die Mannschaft gesungen. Wir haben bis morgens durchgefeiert. Auf dem Müllwagen bin ich dann zum Stadion gefahren.

Fußball-BundesligaWas bedeutete Ihnen dieser Erfolg?

Toppmöller: Das war das größte Ding der Vereinsgeschichte. Ich wollte Werner Altegoer und Klaus Hilpert, die mich verpflichtet hatten, etwas zurückgeben. Altegoer war ein sehr seriöser, defensiver Mann. Nachdem wir das geschafft hatten, sagte er mir stolz: „Ich bin mit meiner Frau erstmals seit drei Jahren durch die Stadt gegangen. Da haben alle die Hüte gehoben und mich gegrüßt.“ Vor dem ersten Uefa-Cup-Spiel in Amsterdam hat er sich eine neue Kamera angeschafft und alles gefilmt. So hatte ich ihn noch nie erlebt.

Warum haben Sie den Verein nach dem Abstieg 1999 verlassen?

Toppmöller: Die besten Spieler wurden mir immer unterm Arsch weg verkauft. Das ist der Kreislauf, den es heute noch beim VfL gibt. Davon hatte ich den Hals so voll. Ich wollte kein Ausbildungstrainer mehr sein.

Ist Ihre Trainerkarriere beendet?

Toppmöller: Im Prinzip schon. Aber ich habe noch einen Wunsch. Ich will noch einmal Nationaltrainer einer Mannschaft sein, die die Chance hat, bei der WM dabei zu sein. Da läuft auch etwas mit einem afrikanischen Verband, aber das ist aus politischen Gründen sehr schwierig.

Verfolgen Sie das Geschehen beim VfL heute noch?

Toppmöller: Ja, absolut. Teilweise denke ich mir: Wer hat denn die Mannschaft zusammengestellt? Aber ich drücke den Fans und dem Umfeld die Daumen, dass sich vielleicht noch mal eine Saison wie 1996/97 wiederholt. Aber da muss noch eine Menge Arbeit geleistet werden.