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Unvollendeter Michael Ballack weint diesmal nicht

Unvollendeter Michael Ballack weint diesmal nicht

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Foto: AFP

Essen. 

Dieses Mal war es kein Drama, es war einfach nur ein Aus. Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Michael Ballack, stand nicht einmal mehr auf dem Platz, als sein Verein, der FC Chelsea, in der Champions League mit 0:1 gegen Inter Mailand die Segel streichen musste.

Trainer Carlo Ancelotti ihn bereits nach einer Stunde ausgewechselt hatte. So bleibt Michael Ballack der Mann auf der Jagd nach einem großen Titel, dem langsam die Zeit davon läuft. Ballack, der Unvollendete.

So hat man ihn schon vor zwei Jahren in Moskau genannt. Hemmungslos geheult hat Ballack dort nach dem Finale der Champions League. Im englischen Duell zwischen Chelsea und Manchester United rutschte seinem Kapitän John Terry im Elfmeterschießen das Standbein weg. Der Ball klatschte an den Außenpfosten und die anderen, nicht Ballack, holten sich den Titel, den größten, den der europäische Vereinsfußball zu vergeben hat.. Und damals ließ Ballack seinen Tränen vor allen Kameras freien Lauf.

Das war schmerzlich. Aber vielleicht sogar so etwas wie ein Sieg mitten in einer weiteren Niederlage, weil seine Tränen Ballack so menschlich erscheinen ließen, weil sie aufräumten mit dem alten Vorwurf, er wirke häufig glatt und oft etwas zu unbeteiligt.

In Südafrika vielleicht die letzte Chance

Womöglich haben seine Kritiker da etwas verwechselt. Als er einst mit Bayer Leverkusen innerhalb weniger Wochen Meisterschaft, Pokalsieg und Champions-League-Triumph verspielte, passte Ballack noch nicht in die Schablone, die über Verlierer gelegt wird: Er schlich nicht vom Feld, war nicht gebeugt. Er ging, den Kopf erhoben. Sogar in Unterhaching, wo sein Eigentor das Aus im Titelrennen einleitete. So haben Verlierer nicht auszusehen. Aber eine von Ballacks Stärken liegt darin, Rückschläge zu verdauen. Bei der WM 2002 in Südkorea, man traut es sich kaum zu sagen weil es so lange her ist, stand er im Zenit und nie zeigte sich Ballacks Kraft eindrucksvoller als in vier Minuten des Halbfinales gegen den Gastgeber: Er foult – durch andere in Not gebracht – Lee Chun-Soo, sieht dafür Gelb und weiß, dass er deshalb in einem möglichen Finale gesperrt sein wird. Vier Minuten später schießt Ballack das Team, sein Team, mit dem 1:0 in dieses Finale.

Große Mannschaften, sagt man, haben große Anführer. Das war 1954 so, 1974 und 1990. Sepp Herberger hatte Fritz Walter, Helmut Schön hatte Franz Beckenbauer und der einen Lothar Matthäus. Joachim Löw hat Michael Ballack. Der seit 2002 erfahrener geworden ist, der sich beim FC Chelsea behauptet, der aber auch acht Jahre älter geworden ist, und dem mit 33 Jahren die Zeit davon zu laufen droht.

Im Sommer hat er, theoretisch, in Südafrika noch einmal eine Chance auf den großen Wurf. Aber wer glaubt im Moment daran? Rund um Ballack reiht sich eine Baustelle an die nächste, und so wie es aussieht, kann es im Sommer nicht reichen, auch weil Spieler wie Miroslav Klose, Lukas Podolski oder Bastian Schweinsteiger nicht gehalten haben, was sie vor vier Jahren versprochen haben. Und wer weiß, ob Ballack bei der EM 2012 mit dann fast 36 Jahren noch spielt. Nichts wäre deshalb wohl schlimmer, als in Südafrika so zu scheitern wie jetzt mit Chelsea in Europa: letztlich sang- und klanglos.

Das droht Michael Ballacks Makel zu werden: später einmal als einer der Besten seiner Zeit zu gelten – aber nicht als einer der ganz Großen.