Rüdiger Abramczik spielte einst für beide großen Ruhrgebiets-Klubs. Sein Herz schlägt für Schalke, aber er lobt auch den BVB für dessen Weg.
Gelsenkirchen.
Spitznamen im Fußball bekommt man nicht geschenkt, die muss man sich verdienen. Rüdiger Abramczik ist: der Flankengott aus dem Kohlenpott. In den 70er-Jahren bereitete er als Rechtsaußen des FC Schalke 04 zahlreiche Tore des ebenso legendären Mittelstürmers Klaus Fischer vor – darunter den zum „Tor des Jahrhunderts“ gewählten Fallrückzieher 1977 im Länderspiel gegen die Schweiz. 1980 wechselte Rüdiger Abramczik zu Borussia Dortmund, weil Schalke Geld brauchte. An diesem Donnerstag wird „Abi“, ein Kultfußballer des Ruhrgebiets, 60 Jahre alt.
Schalke hat für Ihren Wechsel nach Dortmund 1,1 Millionen Mark eingenommen. Welche Summe stünde da nach derzeitigen Kriterien?
Rüdiger Abramczik: Ich schätze mal, da wären noch ein paar Nullen hinzugekommen. Das hätte Schalke zu dem damaligen Zeitpunkt gutgetan.
Sie haben damals dem FC Bayern einen Korb gegeben.
Abramczik: Ja, ich hatte BVB-Präsident Dr. Rauball mein Wort gegeben. Wir waren uns einig, es musste nur noch der Vertrag aufgesetzt werden. Nach unserem Gespräch rief dann zuerst Bayern-Manager Uli Hoeneß an und danach Kalle Rummenigge, der damals noch Spieler war. Sie kamen zu spät.
Schalke baut heute auf viele junge Spieler. Sie waren auch erst 17, als Sie Ihr Bundesliga-Debüt gaben. Hatten Sie es, weil es weniger Rummel gab, damals leichter?
Abramczik: Das würde ich nicht sagen. Früher ging es auf dem Platz mehr zur Sache, es gab viel mehr Klopper unter den Abwehrspielern. Gegen die musste man sich erst mal durchsetzen, da musste ich früh die Ellbogen ausfahren.
Was halten Sie von Leroy Sané?
Abramczik: Ein Ausnahmefußballer. Für mich ist er noch besser als Julian Draxler. Leroy Sané hat unglaublich viele Ideen und ist dabei am Ball so geschickt und schnell, dass die Verteidiger seine Finten nicht ausrechnen können. Als junger Spieler ist er schon sehr weit.
Ausländische Top-Vereine sind an ihm interessiert. Sollte Schalke ihn ziehen lassen? Wäre er schon gut genug fürs Ausland?
Abramczik: Ja, er könnte schon jetzt den Sprung schaffen. Schalke wird ihn ohnehin nicht halten können, sollte ihn aber auf keinen Fall ziehen lassen, wenn nicht mindestens 60 Millionen Euro Ablöse geboten werden. Und alle Beteiligten sollten darauf achten, dass der richtige Verein gefunden wird. Ich glaube, Sané passt besser in die spielstarke Mannschaft von Barcelona als in die robuste englische Liga.
Sie sind ein Schalker Junge, haben aber noch nie ein schlechtes Wort über den BVB verloren.
Abramczik: Bei den Dortmundern wird ja auch gute Arbeit gemacht. Sie standen kurz vor der Insolvenz, haben sich dann aber aufgerappelt, sind ruhig geblieben und zweimal Meister geworden. Das hat mir imponiert.
Kann Schalke daraus etwas lernen?
Abramczik: Das Wort lernen geht mir zu weit. Aber man kann sich schon abschauen, wie man mit wirtschaftlich solider Arbeit weit kommt.
Im BVB-Trikot haben Sie beide Treffer zum 2:1-Sieg gegen Schalke im Parkstadion erzielt. Das muss absurd für Sie gewesen sein.
Abramczik: Das war schlimm für mich, ich konnte zwei Nächte nicht schlafen. Ich hätte am liebsten gar nicht gespielt. Als ich am Abend nach dem Spiel meine Eltern besuchte, sagte mein Vater: Da hättest Du doch auch daneben schießen können! Wenn Schalke verliert, ärgert sich heute noch die ganze Familie.
Leidet der Flankengott besonders, wenn Schalker Flanken nicht ankommen?
Abramczik: Ich frage mich, warum Huntelaar nicht häufiger bedient wird. Wenn man einen wie ihn hat, muss man ihn versorgen – und das geht am besten über außen. Flanken kann man lernen. Üben, üben, üben!
Wie machen Sie am Geburtstag?
Abramczik: Es ist ein kleiner Umtrunk geplant. Und am Abend sitze ich vor dem Fernseher und schaue mir das Spiel der Schalker in der Ukraine an. Das wäre ein tolles Geschenk, wenn sie an meinem Geburtstag gewinnen würden.