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Franz Beckenbauer – elegant, erfolgreich, einzigartig

Franz Beckenbauer – elegant, erfolgreich, einzigartig

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Franz Beckenbauer - Jahresversammlung FC Bayern München
Franz Beckenbauer, der beste deutsche Fußballer, ist eine lebende Legende. Er wurde Weltmeister als Spieler und Trainer, und er holte die WM 2006 nach Deutschland. An diesem Freitag wird er 70 Jahre alt.

Essen. 

Vor 30 Jahren, im August 1985, feiert Witten ein Fußballfest. Die Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft weiht vor 6000 Zuschauern den Rasenplatz des Bezirksligisten TuS Heven ein, zu Gast sind Größen von einst wie Wolfgang Overath, Rainer Bonhof, Rolf Rüssmann, Sigi Held. Im Mittelpunkt aber steht der Weltmeister-Kapitän von 1974: Wenn Franz Beckenbauers Sohle den Ball streichelt, staunt und raunt die Kulisse.

Die Zeit für die Reise von seinem Wohnort Kitzbühel ins Ruhrgebiet hat er sich abgerungen, schließlich lastet auf ihm seit einem Jahr der Auftrag, als Teamchef aus wuchtigen Kampfwalzen wieder eine attraktive deutsche Nationalelf zu formen. Weil er unbedingt mal wieder mit seinen früheren Teamkollegen zusammen sein will, erfreut er sich besonders an der dritten Halbzeit: In einer Schul-Aula stellt sich der Fußballkaiser am Büffet an, er setzt sich auf eine Festzeltbank, löffelt Erbsensuppe aus einer Plastikschale und lässt sich das Bierchen schmecken.

Dieser Mann von Welt, der gewöhnlich über rote Teppiche schwebt, sieht gerade nicht so aus, als vermisse er Austern oder Kaviar. Er finde das alles hier so herrlich ungezwungen, erzählt er dem Lokalsportredakteur. „Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich das genieße.“

Menschen, die Franz Beckenbauer wirklich kennen, werden sich über diese Episode nicht wundern. An diesem Freitag wird der beste und erfolgreichste deutsche Fußballer 70 Jahre alt.

Der Fußballkaiser 

Diese Haltung. Der Körper: aufrecht, kerzengerade. Der Kopf: oben gehalten, nicht gesenkt. Die Bewegung: elegant, leichtfüßig. Franz Beckenbauer hatte es nicht nötig, auf die Schuhe zu schauen, um den Ball zu kontrollieren, die Kugel klebte an seinem Fuß. Aus dem Gelenk beförderte er sie weiter, oft mit dem Außenrist, passgenau.

Diese Spielweise wurde Franz Beckenbauer zuweilen als Arroganz ausgelegt. Die Neider aber verwechselten Arroganz und Eleganz. Der Mann war am Ball ein Genie, sein Spiel war nichts anderes als der Ausdruck fußballerischer Vollkommenheit, das Resultat einer naturgegebenen und doch übernatürlich erscheinenden Begabung.

Gerhard König hatte keinen geringen Anteil am Karriereverlauf des Ausnahmespielers. Als der 13-jährige Franz aus dem Münchener Stadtteil Giesing noch für den SC 1906 München spielte, verpasste König dem späteren Kaiser während eines Lokalderbys eine Ohrfeige. Der Watschnmann trug das Trikot des TSV 1860. Deshalb entschied der junge Beckenbauer, nicht zu den Löwen, sondern zum FC Bayern zu wechseln. Der Beginn eines sensationellen Aufstiegs: des Spielers und des Vereins.

Schon als Deutschland 1966 bei der WM in England Vize-Weltmeister wurde, strahlte Beckenbauers Stern. Sein goldenes Jahrzehnt aber waren die Siebziger: Er führte die Europameister-Elf von 1972 und die Weltmeister-Elf von 1974 als Kapitän an, mit dem FC Bayern gewann er dreimal nacheinander den Europapokal der Landesmeister. Und er erfand die Libero-Rolle neu: Einen Abwehrmann, der auch das Spiel gestaltete, gab es vor ihm nicht.

Der Glückspilz 

Als sie gar nicht mehr weiter wussten nach der missratenen Europameisterschaft im Jahr 1984, da riefen sie einfach nach dem Franz. Die DFB-Führung hatte keine Idee, wie es mit dieser unter Jupp Derwall nur noch taumelnden Nationalmannschaft weitergehen sollte. Die Bild-Zeitung wusste Rat. „Franz: Bin bereit“, titelte Beckenbauers in enger Kumpanei verbundenes Hausblatt. Dabei hatte der zum Retter Auserkorene noch gar nicht zugesagt. Aber aus der Nummer kam er nicht mehr heraus, und so wurde er zum Teamchef ohne Trainerschein.

Sechs Jahre später schritt Franz Beckenbauer gedankenverloren über den Rasen des Olympiastadions in Rom. Als Weltmeister.

Sein nächstes großes Ziel war, die WM 2006 nach Deutschland zu holen. Monatelang reiste er durch die Welt, sammelte er Stimme für Stimme. Franz im Glück – ohne ihn kein Sommermärchen. Vermutlich hatte er sogar auf das Wetter Einfluss.

Wenn Franz Beckenbauer den Wasserhahn aufdreht, fließt Champagner heraus.

Der Firlefranz 

Franz Beckenbauer behauptet, noch nie eine große Rede gehalten zu haben. „Ich habe immer nur gesagt, was mir gerade eingefallen ist.“

Wenn er aufgeregt kritisiert, nimmt er wenig Rücksicht auf die Vorgaben der Diplomatenschule. Er schert sich auch nicht darum, dass er sich hin und wieder selbst widerspricht – das wird ihm meist genauso schnell verziehen wie ein Tritt ins Fettnäpfchen („Ich habe in Katar noch keinen Sklaven gesehen“).

Sein Sprachzentrum sitzt im Bauch – Intuition führt jedoch auch zur Kollision. Beim Bad im Wörter-See riskiert er es, das Ufer aus den Augen zu verlieren. Zum Siebzigsten ein „Best of Beckenbauer“:

Platz drei: „Damals hat die halbe Nation hinter dem Fernseher gestanden.“ Platz zwei: „Ja gut, am Ergebnis wird sich nicht mehr viel ändern, es sei denn, einer schießt ein Tor.“ Platz eins: „Es gibt nur eine Möglichkeit – Sieg, Unentschieden oder Niederlage.“

Der Frauentyp 

Die blonden Frauen haben es dem charmanten Franz angetan.

Mit 17 wurde er zum ersten Mal Vater, mit 58 zum fünften Mal. Heute sei ihm die Familie heilig, erzählte er in einem ARD-Film, früher habe er sie vernachlässigt („Wenn man viel von zu Hause weg ist, vergnügt man sich anderweitig“).

1977 verließ er seine erste Ehefrau Brigitte und zog mit der Fotografin Diana Sandmann nach New York. Seine zweite Frau Sybille lernte er beim DFB kennen, sie war dort Sekretärin. Er war noch mit ihr verheiratet, als im Jahr 2000 getuschelt wurde, er sei bei einer Weihnachtsfeier einer Sekretärin des FC Bayern ein wenig nähergekommen. Unter Druck gestand der Kaiser, ein Kaiserlein gezeugt zu haben. Die Mutter des Jungen, Heidi Burmester, heiratete er sechs Jahre später.

Das Skandälchen um das Auswärtsspiel lächelte er damals gewohnt souverän weg. „Der liebe Gott freut sich über jedes Kind“, sagte er, und: „Irgendeiner muss ja in dem Land was tun, wenn alle nur klagen, dass der Nachwuchs fehlt.“

Der Medienprofi 

Nach dem Viertelfinale der Weltmeisterschaft 1990 verlor der deutsche Teamchef die Fassung. Seine Elf hatte nur mit Mühe 1:0 gegen die CSFR gewonnen, die Leistung war mäßig, in der Kabine flogen die Fetzen. Beckenbauer, als Spieler an Perfektion gewöhnt, trat einen Eimer um und fluchte, dass selbst ein Bierkutscher rot geworden wäre.

Dann ging er raus zu den Medienvertretern und gratulierte seiner Mannschaft: „Kompliment, sie hat Großes erreicht, wir freuen uns aufs Halbfinale.“ Das kann nur er…

Vor Kameras und Mikros fürchtete er sich schon in den Sechzigern nicht. Er war der erste Fußballer mit eigenem Manager – Robert Schwan machte Beckenbauers Popularität zu Geld. Legendär seine Werbung für Tütensuppen („Krrrraft in den Teller, Knorrrr auf den Tisch“) und sein Gesang („Gute Frrrreunde kann niemand trrrrennen“).

Zum 70. Geburtstag aber zieht er sich ins Private zurück. Der Grund ist ein trauriger: Vor sechs Wochen starb sein Sohn Stephan im Alter von 46 Jahren an einem Hirntumor.