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Spiel in Gelsenkirchen fehlte der Derby-Charakter

Spiel in Gelsenkirchen fehlte der Derby-Charakter

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Foto: Bongarts/Getty Images
Hinter dem BVB liegt eine Woche zum Vergessen. Der Niederlage in Mainz folgte ein mageres Unentschieden gegen Stuttgart. Und am Samstag folgte mit der Derby-Niederlage der Höhepunkt. Fan-Kolumnist Julian Bräker hat beim Derby wenig von dem gesehen, was ein solches Spiel eigentlich ausmacht.

Dortmund. 

Es gibt Tage zum Vergessen. Hinter dem BVB liegt jedoch leider nicht nur ein solcher, sondern eine ganze Woche für die sprichwörtliche Tonne. Nur ein magerer Punkt aus drei Spielen und zur Krönung eine schmerzhafte Derbyniederlage legen wohl die Einordnung „Fehlstart“ für den Saisonbeginn in der Liga nahe. Das großartige Auftreten in der Champions League gegen den FC Arsenal scheint endlose Zeiten zurück zu liegen, dabei sind es lediglich eineinhalb Wochen.

So wie es sich in Hochzeiten empfiehlt, auf dem Teppich zu bleiben, so sollte man auch in sportlich mageren Zeiten realistisch bleiben. Die Personalsituation ist mehr als angespannt, jedoch sind die beiden Gegentore im Derby auf katastrophale individuelle Fehler zurückzuführen, die so nicht zu entschuldigen sind. Erste in Fankreisen kursierende Kritik an der Einstellung der Mannschaft in Ligaspielen wies Kapitän Mats Hummels umgehend nach dem Spiel als großen Unfug zurück.

Kein Derbycharakter auf dem Platz und den Tribünen

Zumindest fehlte dem Spiel das, was man früher als charakteristisch als ein Derby bezeichnet hat: Harte Zweikämpfe, gekonnte Grätschen, fliegende Rasenstücke, viel Herzblut und Emotionen. Vielleicht ist das Spiel in der Bundesliga zu attraktiv geworden, um solchen Momenten Platz zu bieten. Möglicherweise lag es aber auch an der vergleichsweise ruhigen Stimmung, die durch den Ausschluss von 500 BVB-Fans, die zumeist aus der Ultraszene kommen und die Reduzierung des Gästekontingents um 1.000 Karten begünstigt wurde.

Auf den Tribünen ergab sich so eine Art Boxkampf zwischen einem Schwer- und einem Fliegengewichtsboxer. Der Schwergewichtsboxer, in dem Fall die Schalker Fans, wusste um die Unterlegenheit seines Gegners und die Sicherheit des Sieges bei der Stimmung und setzte so nur vereinzelte, aber wirkungsvolle Treffer. Ohne aktive Szene und Vorsänger war der Gästeblock orientierungslos, wie ohne Trainer in der Ringecke.

Sanktionen für letztjähriges Derby sind richtig, aber auch spürbar

Es steht außer Frage, dass das Verhalten des Großteils besagter 500 Fans beim letztjährigen Auswärtsderby völlig inakzeptabel war und nur spürbare Konsequenzen die richtige Antwort darauf sein konnten. Trotzdem ist die Aussicht, bis zum Ende der bis 2019 geltenden Haus- und Geländeverbote einen Gästeblock ohne Koordination vorzufinden, keine besonders rosige. Es ist nicht so, dass gute Stimmung ohne Vorsänger unmöglich ist. Wäre das Spiel deutlich zu Gunsten des BVB ausgegangen, so hätte sich der Gästeblock sicherlich bester Stimmung gezeigt. Doch als die Mannschaft beim Stand von 1:2 Unterstützung brauchte und nach vorne gepeitscht hätte werden müssen, kam hier viel zu wenig.

Der Grund dafür ist schlichtweg die Gewöhnung an eine Koordinierung durch einen oder mehrere Vorsänger. Was sich über Jahre etabliert hat, das kann nicht in einem Spiel abgelegt werden und unabhängig funktionieren. Da das Hausverbot noch bis 2019 besteht, dürfte sich in den kommenden Jahren daran auch nicht viel ändern, es sei denn, es folgen wieder deutlich erfolgreichere Spiele, in denen die Stimmung zum Selbstläufer wird.

Rechte Gruppen nutzen Machtvakuum glücklicherweise nicht

Immerhin: Anders als in der vergangenen Saison in Mainz, als die Ultraszene dem Spiel ebenfalls größtenteils fernblieb, versuchten keine ewig Gestrigen von Borussenfront und Co. das Machtvakuum für ihre Zwecke zu nutzen. Es gab zwar sehr vereinzelte – und dumme wie unentschuldbare — „Gelsenkirchener Juden“-Gesänge, als das entsprechende Schalke-Lied in der Heimkurve erklang, jedoch wäre es übertrieben, hier direkt neue gefährliche Tendenzen zu erkennen. Die wenigen Sänger dieses schwachsinnigen Liedes wurden schnell übertönt und haben selbst nur sehr kurz an dem fragwürdigen Text festgehalten.

Dass in den vergangenen Wochen keine negativen Schlagzeilen aus dem Fanlager des BVB die Runde machten, stimmt positiv, dass die bis zum 21. Oktober 2014 laufende Bewährungsfrist für den BVB ohne weitere Vorfälle verstreicht. Das über dem Verein schwebende Schreckgespenst einer gesperrten Südtribüne bei einem Ligaspiel oder eines Komplettausschlusses von Gästefans beim nächsten Derby könnte somit vertrieben werden.

29.09.2014, Julian Bräker, Gib mich DIE KIRSCHE