Nachdem es schon fast ruhig geworden war im Verhältnis zwischen Bayern München und Borussia Dortmund, ist der Ton nun wieder rau. Auslöser der jüngsten Auseinandersetzung: die Vertragssituation von Marco Reus beim BVB. Konkret: die festgeschriebene Ablösesumme für den Nationalspieler.
Bad Ragaz/Dortmund/München.
Wer ihn im Schweizer Kurort Bad Ragaz sah, hätte ihn auch für ein Mitglied des Betreuerteams halten können: Ob er im Trainingsanzug durch die Lobby des luxuriösen Mannschaftshotels schlenderte, ob er sich mit Freunden aus der sauerländischen Heimat die Übungseinheiten von Borussia Dortmund ansah oder auf einer Holzbank sitzend das Testspiel bei einem Schweizer Drittligisten verfolgte und dabei Autogramme schrieb und für Fotos posierte – Hans-Joachim Watzke machte stets einen bodenständigen und völlig tiefenentspannten Eindruck.
Nicht einmal zu einer Spitze gegenüber dem Rivalen Bayern München ließ sich der BVB-Geschäftsführer hinreißen, auch Wechselgerüchte um den derzeit noch verletzten Mittelfeldspieler Marco Reus schienen ihn nicht aus der Ruhe zu bringen: „Wir beim BVB sind immer klar und ruhig“, sagte er der „Bild am Sonntag“.
Der dreitägliche Rummenigge
Mit dem Trainingslager aber endete auch die Ruhe. Der Verein verbreitete eine Erklärung seines Geschäftsführers, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ: „Borussia Dortmund registriert mit einer gewissen Verärgerung, dass sich Karl-Heinz Rummenigge über die Medien zurzeit im Drei-Tage-Rhythmus zu internen BVB-Angelegenheiten äußert“, hieß es da. „Wir sind sicher, dass für jeden Fußballinteressierten offensichtlich ist, welche Absicht hinter solchen Äußerungen steckt. Karl-Heinz Rummenigge nimmt durch sein Verhalten billigend in Kauf, dass das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München weiter beschädigt wird.“ Und BVB-Sportdirektor Michael Zorc legte via „Bild“-Zeitung nach: „Das hat nun leider eine völlig neue Qualität. Es wäre schön, wenn er einfach mal den Mund halten könnte.“
Ein Vereinsverantwortlicher, der einen anderen mittels offizieller Erklärung angreift – das ist auch in der notorisch aufgeregten Bundesliga ein ungewöhnlicher Vorgang. Grund für die Dortmunder Gereiztheit waren die jüngsten Aussagen des Münchner Vorstandschefs in der „Sportbild“ zu Marco Reus. „Es ist bekannt, dass der Spieler bei Borussia Dortmund ist und eine Ausstiegsklausel hat, die, so Gerüchte, bei 25 Millionen Euro liegen soll“, wurde Rummenigge zitiert.
Kostet Reus 35 Millionen? Oder doch „nur“ 25?
Dass die Begriffspaarung „Ausstiegsklausel“ und „Rummenigge“ die Dortmunder derart reizt, erklärt der Blick in die jüngere Vergangenheit: 2013 konnte BVB-Eigengewächs Mario Götze dank einer solchen Vereinbarung für 37 Millionen Euro nach München wechseln, bekannt wurde dies ausgerechnet kurz vor dem Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid. Und in diesem Sommer wechselte Torschützenkönig Robert Lewandowski ablösefrei in den Süden. Noch einen Spieler, der beim BVB zur Weltklasse reifte, an den Branchenführer zu verlieren – für die Verantwortlichen eine unerträgliche Vorstellung.
Auch deshalb mühen sie sich schon seit längerem, Reus einen Verzicht auf die Klausel schmackhaft zu machen, die im Sommer 2015 greift und von der es bislang stets geheißen hatte, sie liege bei 35 Millionen Euro. Im Gegenzug soll der Spieler bis 2017 künftig sechs Millionen Euro jährlich verdienen – statt bislang 4,5 Millionen.
Dazu hatte sich Rummenigge schon vor einigen Tagen ebenfalls geäußert: „Ich glaube, dass es für Borussia Dortmund schwer wird, die Klausel für Marco Reus rauszukaufen“, sagte er der „Welt am Sonntag“ mit einiger Süffisanz. „Der Spieler hat hohe Nachfrage bei den europäischen Topklubs, unabhängig vom FC Bayern.“
Tatsächlich zögert Reus. Erst einmal wolle er wieder fit werden, ließ er über seinen Berater erklären. Derzeit leidet er an den eines Folgen knöchernen Bandausrisses an der Fersenbein-Vorderseite, im Trainingslager konnte er nur Laufübungen absolvieren – und stand damit sinnbildlich für die komplizierte Dortmunder Saisonvorbereitung. Auch Jakub Blaszczykowski, Ilkay Gündogan und Nuri Sahin fehlten im Teamtraining, wie Reus werden sie zu Saisonbeginn fehlen.
Bis zum Supercup entspannt sich die Situation kaum
Die Nationalspieler Mats Hummels und Roman Weidenfeller sind noch im Urlaub, Erik Durm, Kevin Großkreutz und Matthias Ginter erst wenige Tage im Training. „Wenn man alle aufzählt, die nicht spielen können, ist das wieder eine Mannschaft, die auch spielen könnte“, klagte Trainer Jürgen Klopp schon zu Beginn des Trainingslagers. Taktische Dinge konnten kaum geübt werden.
Bis zum Supercup gegen Bayern München am kommenden Mittwoch wird sich die Situation nur wenig entspannen, auch im DFB-Pokalspiel bei den Stuttgarter Kickers (16. August) und dem ersten Ligaspiel gegen Bayer Leverkusen wird Klopp improvisieren müssen. Dennoch gibt er vor: „Wir müssen vom ersten Spieltag an absolut wettbewerbsfähig und ein absolut unangenehmer Gegner sein. Es ist ein Ergebnissport und vom ersten Tag an sind wir gefragt.“