London.
Als die Spieler von Bundestrainer Joachim Löw am Sonntagmittag im Barnet Football Club im nasskalten Londoner Norden ihre Arbeit in Form einer Trainingseinheit wieder aufnahmen, war die Entscheidung in Dortmund längst gefallen, sich bedeckt zu halten. So hatten es Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, und Sportdirektor Michael Zorc bereits am Samstag entschieden. Die Sache ist schließlich ein Politikum. Jedes falsche Wort könnte eine mediale Lawine nationalen Ausmaßes lostreten.
Löw hatte am Samstagmorgen überraschend bekannt gemacht, dass der Kapitän Philipp Lahm, sein Münchner Mannschaftskollege und Torwart Manuel Neuer sowie Spielmacher Mesut Özil von Arsenal London von der Nationalmannschaft abreisen. Dies alles wäre weit weniger interessant, wenn nicht am kommenden Samstag, vier Tage nach dem nahenden England-Spiel der Nationalelf, die Hatz durch die Termine mit dem spektakulären Duell der beiden Branchengrößen Borussia Dortmund gegen Bayern München fortgesetzt werden würde. Kleinigkeiten können in diesem Spiel den Ausschlag geben. Auch der Faktor Ausgeruhtheit.
Scharfe Antwort von Löw
Daher hatte sich Watzke in der vergangenen Woche vorsorglich schon mal öffentlichkeitswirksam zu Wort gemeldet und Löw in die Pflicht genommen, die Belastungen in den beiden Testspielen gerecht auf die zwei Lager zu verteilen. „Ich bin mir sicher, dass vor dem Topspiel gegen Bayern mit der gesamten Situation sensibel umgegangen wird. Deswegen gehen wir davon aus, dass beide Vereine gleich behandelt werden“, sagte Watzke stellvertretend für alle Dortmunder, die sich im Kreise der Nationalelf immer wieder mal benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlen. Ungewohnt scharf hatte Löw sinngemäß geantwortet: Niemand darf mir sagen, was in den beiden Spielen passieren soll.
Es ist aber davon auszugehen, dass im Westen Deutschlands sehr genau beobachtet werden wird, wie die weitere Entwicklung ist. Nur sagen mag es keiner. „Ich weiß nicht, welche Beweggründe es gegeben hat, Lahm und Neuer nach Hause zu schicken. Und wir wissen noch gar nicht, wie die Belastungen am Dienstag tatsächlich verteilt werden“, sagt Michael Zorc dieser Zeitung: „Wir wollen jetzt kein Fass aufmachen.“
Aber die Dortmunder Macher werden gesehen haben, dass gegen Italien sechs Bayern in der Startformation standen, die Dortmunder Fraktion aber abgesehen von Mats Hummels erstmal auf der Bank saß. Und während nun Neuer und Lahm am Dienstagabend entspannt auf der Couch und einige ihrer Bayern-Kollegen auf der Reservebank sitzen werden, kündigte Löw verstärkte Dortmunder Einsatzminuten in Wembley an. Marcel Schmelzer wird von Beginn an links verteidigen, Marco Reus davor im Mittelfeld agieren, Torwart Roman Weidenfeller dürfte zu seinem Debüt im Deutschland-Trikot kommen. Auch Mittelfeldspieler Sven Bender hat gute Chancen, in der Startelf zu stehen.
Spieler starten keine Diskussion
„Es geht darum, ob man die Pause am Freitag hat oder am Dienstag“, verdeutlicht Schmelzer. Macht das einen großen Unterschied? „Ich glaube, die Frage kann sich jeder selbst beantworten. Aber von uns Spielern wird es keine Diskussion geben. Ich denke, dass die ganze Debatte darüber im Vorfeld gar keinen Sinn macht. Es ist für jeden schön, in Wembley gegen England zu spielen. Was danach kommt, das interessiert halt auch erst danach.“ Ähnlich sieht es Sven Bender: „Ich bin sehr froh über jedes Länderspiel, über jede Minute, die ich spielen darf.“
Bei Neuer, Lahm und Özil ist das anders. „Der Philipp Lahm macht jedes Spiel und Mesut Özil war zuletzt krank. Die beiden wollte ich nicht unbedingt verheizen, sondern ihnen eine Pause geben“, begründet Löw die vorzeitige Abreise der Nationalspieler. „Das ist das vorletzte Spiel vor der Nominierung für die WM. Da möchte ich einigen Spielern die Möglichkeiten geben, über 90 Minuten zu zeigen, was sie drauf haben.“
Normalerweise freut man sich beim BVB darüber, wenn viele Dortmunder viele Spielanteile in der Nationalmannschaft bekommen. Das war ja zuletzt nicht immer der Fall. Aber dieses nahende Spiel gegen die großen Bayern ist in Dortmund eben alles andere als Normalität.