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Das gallische Dorf

Das gallische Dorf

Bielefeld. 

Regen nieselt hinab auf das Vereinsheim. Laub weht über den Kunstrasenplatz, der vom Flutlicht nur spärlich erleuchtet wird. Bundesliga-Atmosphäre herrscht hier im Bielefelder 4000-Seelen-Vorort Theesen nicht. Fußball-Lehrer Daniel Keller ruft seine Spieler zusammen, Trainingsbeginn. Die A-Jugend des VfL Theesen trifft sich viermal pro Woche.

Erst stehen Laufübungen auf dem Programm, dann Torschusstraining. Die Outfits der Jungs sind bunt gemischt, einheitliche Trainingsanzüge wie bei den prominenten Liga-Konkurrenten gibt es nicht. Dass die U19 des VfL überhaupt in der Bundesliga spielt, ist eine kleine Sensation. Vereine wie den SC Paderborn oder Wattenscheid 09 ließ die A-Jugend in der Aufstiegssaison hinter sich. Nun misst sich Theesen mit dem Nachwuchs von Borussia Dortmund oder Schalke 04.

Dass diese Gegner eigentlich in einer anderen Liga spielen, wurde schnell klar. Zum Auftakt gab es ein 0:5 gegen Königsblau, dann ein 0:7 gegen Schwarz-Gelb. „Einige unserer Spieler waren da noch im Urlaub. Das wäre bei großen Vereinen undenkbar“, so der 24-jährige Keller, ein Lehramtsstudent.

Dass man Lehrgeld zahlen würde, sei klar gewesen, meint Kapitän Nico Bartling. „Es ist aber schon frustrierend, wenn die Gegner nach einem Tor nicht mehr jubeln.“ Angesichts der Resultate könnte man meinen, der Provinz-Verein gehöre nicht in Bundesliga. „Der Erfolg ist aber auch das Ergebnis jahrelanger Arbeit von Leuten, die Ahnung haben“, betont der sportliche Leiter Olaf Tödtmann. Neben der A-Jugend spielt auch die U15 in der Ersten Liga, die U17 eine Klasse niedriger. Der Fokus liege auf dem Nachwuchs, sagt er: „Über die Jahre sind wir nach Arminia zur Nummer Zwei in Ostwestfalen aufgestiegen.“ Und das ohne teure Infrastruktur. Vereine wie Dortmund und Schalke investieren Millionen in den Nachwuchs, der in Leistungszentren ausgebildet wird. In Theesen gibt es ein Vereinsheim, einen Raum für die Taktik-Besprechung, ein Rasenfeld ohne Tribünen und eineinhalb Kunstrasenplätze. „Wir sind quasi das Gallische Dorf der Bundesliga“, vergleicht Trainer Keller.

Beim VfL übernehmen Trainer wie Daniel Keller das Scouting: „Unsere Spieler kommen aus einem Umkreis von 30 bis 40 Kilometern, die großen Klubs suchen weltweit.“ Auch in Theesen wurden sie fündig: Stürmer Aytürk Gecim steht immerhin auf der Scoutingliste für die Zweite Mannschaft des Hamburger SV. Im Sommer wechselte ein U17-Spieler zu Bayer Leverkusen. Geld gab es dafür nicht: „Unsere Jugendspieler haben hier keine Verträge und bekommen kein Gehalt. Wenn sie bei einem großen Klub einen Amateurvertrag unterschreiben, erhalten wir keine Ablöse“, erklärt Sportchef Tödtmann.

Schon neun Punkte auf dem Konto

Trotz dieser Voraussetzungen sieht es in der Liga nicht zappenduster aus. Mit 11:49 Treffern hat der VfL das schlechteste Torverhältnis der Liga, aber schon neun Punkte. Der Nicht-Abstiegsplatz ist nur drei Zähler entfernt. Sollte das Gallische Dorf diese Punkte am Samstag gegen Schalke holen, wäre das eine Sensation. Daniel Keller meint: „Für uns ist doch jeder Sieg ein Überraschungssieg.“