Was man beim Schlemmerwandern im Schwarzwald lernen kann
Die Wanderführerin Ingrid Gaisser weiß, welche Kräuter auf dem Wiesen im Schwarzwald genießbar sind. Der Schwarzwald bietet noch mehr Kulinarisches.
Essen.
Als sie in den Sechzigern das erste Mal in den Schwarzwald kam, konnte sie sich zunächst nicht so recht anfreunden mit den dunklen hohen Fichten, muss die Wanderführerin mit den schmunzelnden Augen hinter der großen Brille zugeben. „Ich bin zwischen grünen Rebstöcken und in hellen Buchenwäldern in Heilbronn aufgewachsen“, sagt Ingrid Gaisser.
Doch wann immer Zeit gewesen ist, sei die heute 73-Jährige raus in die blühenden Wiesen mit ihrer Mutter. „Sie hat mir beigebracht, dass ich mit den vitaminreichen Sauerampfer-Stielen meinen Durst löschen kann, hingegen der gelbblütrige Hahnenfuß giftig ist.“ Heut kennt sich die Naturpädagogin bestens aus in der Welt der Wild- und Heilkräuter und bringt auf ihren Kräuterwanderungen in der Gemeinde Baiersbronn Naturfreunden bei, was sie alles mit Löwenzahn, Spitzwegerich, Brennnesseln und Co. machen können.
So zupft Ingrid dem bekannten Löwenzahn die wuscheligen, knallgelben Blüten aus, setzt sie mit Wasser an, kocht sie auf mit Zucker – und fertig ist ein Sirup. Mit Sprudel gemischt eine leckere Limonade, die die Kräuterhexe während der Wanderung unter den würzig duftenden Rotfichten und Waldkiefern des Nordschwarzwaldes ausschenkt. Später gibt‘s – zur Stärkung – noch Ingrids frisch angemachte Gänseblümchen in Honig, auf eine Stulle geschmiert. „Der Honig ist blutreinigend, reich an Mineral- und Bitterstoffen und Eisen, ich bereite ihn zu, wenn ich erkältet bin“, erklärt die ehemalige Bilanzbuchhalterin, die so gar nicht nach Finanzen und Zahlen aussieht.
Schlemmerwandern gegen Sterneküche
Wanderweste, Rucksack. Die Natur ist ihr Ding. Die Gänseblumen und auch sonst alle Kräuter, Beeren und Pilze sollten übrigens nicht direkt vom Rande des Wanderweges gepflückt werden, fällt ihr dabei ein. „Unbedingt weiter rein in die Blumenwiese oder den Wald gehen – und Kräuter gut waschen, bevor man sie in der Küche zubereitet.“
Wer ebenso viele Gewürzpflanzen an seiner Arbeitsstätte verwendet, ist Friedrich Klumpp vom Hotel Rosengarten: Der Koch ist einer von acht „Wildpflanzenwirten“. Sie tragen dazu bei, dass die Gourmet-Hochburg Baiersbronn – mit acht Michelin-Sternen ist die Sterneköche-Dichte nirgends sonst in Deutschland so hoch wie hier – wieder auf ursprüngliche Weise erlebbar wird.
Kulinarische Kräuterwanderung
Seit ein paar Jahren bereits bietet Klumpp kulinarische Kräuterwanderungen an: „Schlemmerwandern als Gegengewicht zur Sterneküche“, nennt es der bodenständige Schwabe. Es wird zwar vier Stunden lang gewandert, aber immer wieder wartet ein Tischlein-Deck-Dich am Wegesrande des Wildkräuterlehrpfades. Der Wirt zupft etwas Grünzeug an einem plätschernden Bächlein, sein Lieblingskraut. „Die Brunnenkresse, ordentlich mit Vitamin C angereichert, ist das erste Kraut an den Bachläufen, wenn der Schnee geschmolzen ist“, weiß er. Später taucht es am Picknicktisch wieder auf, unter Quark gemischt, auf hausgemachtes Vollkornbrot gestrichen. Frisch und cremig.
In seinem Hotel serviert Klumpp regelmäßig frische Wildkräutersalate mit Himbeerdressing – viele Zutaten findet er in den Wäldern vor seiner Haustür: Schlangenknöterich, Löwenzahn, Sauerklee, Wiesen-Schaumkraut „und Fichtenspitzen kommen als Deko oben drauf“. Über 2000 essbare Wildpflanzen wachsen allein in Mitteleuropa. Und damit experimentiert der lustige Wanderkoch. Kocht Suppen, richtet Salate an, frittiert und brät. „Wir spielen mit der Exotik der Kräuter“, sagt er.
Die Milchziegen
Ebenso mit Fichte, aber auch mit Eiche und Buche füttert Michael Peterle in Schönegründ seine 110 Milchziegen. Liebevoll nimmt der hagere Bauer ein braun-schwarzes Exemplar auf den Arm, knuddelt es und erzählt, dass er täglich Käse produziert. „Die Milch setzen wir an, wenn sie noch ganz warm ist.“ Seit einem Vierteljahrhundert bewirtschaftet der Ludwigsburger seinen Bio-Bauernhof. Die Tiere bekommen kein fertiges Futtermittel, sondern nur Grünfutter und Heu. Sie stehen stundenlang auf den Wiesen direkt hinter Peterles Stall. „Meine Ziegen sind ziemlich wählerisch“, findet der 50-Jährige. „Wenn sie auf eine alte Wiese kommen, wo sie keine frischen Blüten mehr finden, kommen sie zu mir und meckern.“ Seine Spezialität: Röter Ziegenbratkäse mit Dost – wildem Oregano, frisch gesammelt. Auch er schmeckt nach viel Ursprünglichem, eben nach Schwarzwald – und den blühenden Wiesen, in denen Kräuterhexe Ingrid ihre heimischen Schätze findet.