Vor 40 Jahren sank der Tanker „Amoco Cadiz“ in der Bretagne
Der 16. März 1978 bleibt bis heute ein schwarzer Tag für die Bretagne. Der Supertanker „Amoco Cadiz“ läuft auf Grund. Rohöl verseucht die Küste.
Brest.
Über die Bretagne fegt ein Nordweststurm der Stärke 10 hinweg, auf dem Meer türmen sich Wellen bis zu 15 Meter hoch. Der unter liberianischer Billigflagge fahrende Supertanker „Amoco Cadiz“ schlägt auf den Felsen Men Gaulven unweit des Fischerdorfes Portsall, etwa 30 Kilometer nordwestlich der Hafenstadt Brest.
Dramatische Rettungsversuche waren zuvor erfolglos geblieben. Der deutsche Hochseeschlepper „Pacific“ war zur Hilfe gekommen. Doch eine Stahltrosse riss. Hubschrauber bargen die Besatzung des Tankers, bevor er auseinanderbrach.
Nach der Havarie am 16. März 1978 folgte ein Umwelt-Desaster, die folgenschwerste Ölkatastrophe in Europa. Mehr als 223.000 Tonnen leichtes Rohöl verpesteten Strände und Felsen auf einer Länge von 360 Kilometern. Der Ölteppich war knapp so groß wie das Saarland, unter anderem starben Vögel, Fische und Muscheln. „Eine Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß“ – so und ähnlich lauteten damals die Schlagzeilen.
Rechtsstreit um Schadenersatz zieht sich über 14 Jahre
Die Bretagne in der Nordwestecke Frankreichs hatte damals Glück im Unglück. Eine günstige Strömung, hohe Wellen und milde Temperaturen trugen dazu bei, dass sich das Rohöl im Wasser schnell abbaute. An Land arbeiteten Tausende Helfer daran, Felsen und Strände vom klebrigem Öl zu befreien. Bereits ein gutes Jahr später waren die Strände der Region zumindest oberflächlich wieder so sauber, dass sie Touristen anlockten.
Der Rechtsstreit um den Schadenersatz endete erst 14 Jahre nach der Katastrophe. Im Januar 1992 wurde der US-Ölkonzern Amoco dazu verurteilt, insgesamt 195 Millionen Euro an die betroffenen Gemeinden und den französischen Staat zu zahlen.
Kann sich eine Katastrophe à la „Amoco Cadiz“ 40 Jahre später wiederholen? Nein, antwortet der für den Atlantik zuständige Vertreter des französischen Staates, Emmanuel de Oliveira. Mittlerweile gebe es einen eigenen Hochseeschlepper, außerdem habe man die Entscheidungsabläufe zwischen zivilen und militärischen Stellen vereinfacht, sagte der Seeoffizier der Nachrichtenagentur AFP.
Das Wrack zieht Tauchbegeisterte an
„Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich das betroffene Gebiet von den Folgen der „Amoco-Cadiz“-Katastrophe inzwischen erholt hat“, resümiert Jörg Feddern, Meeresbiologe bei Greenpeace Deutschland. „In den meisten Fällen haben die Tankerkatastrophen verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Ökosysteme. Sichtbarste Zeichen sind die mit Öl verschmierten Vögel, denen in den allermeisten Fällen ein qualvoller Tod droht.“ Aber auch im Wasser oder auf dem Meeresboden richte Öl schwere Schäden an. Es dauere Jahre bis Jahrzehnte, bis sich diese Ökosysteme von dem Giftstoff wieder erholten, so der Experte.
Beim Tourismus in der Bretagne spielt inzwischen auch das Wrack der „Amoco Cadiz“ eine Rolle. Denn es zieht Tauchbegeisterte an. Ludovic Granier, Inhaber der Tauchschule „Aber Wrac’h Plongée“, führt nach eigenen Angaben jährlich etwa 500 Taucher zu dem 334 Meter langen Wrack, das ihn und seine Kunden besonders wegen seiner Größe beeindruckt. Vom Öl sei nichts mehr zu sehen, meint er.
Die Gemeinde Ploudalmézeau, zu der Portsall zählt, plant am Vorabend des Jahrestages eine Gedenkfeier. Auf dem Programm steht auch die Vorführung eines Dokumentarfilms über das Unglück: „Amoco Cadiz: Die Jahrhundert-Ölpest“. (dpa)