Veröffentlicht inReise

Sylt und das Leid der schlechten Erreichbarkeit

Sylt und das Leid der schlechten Erreichbarkeit

Sylt_Autozug.jpg
Ein Autozug fährt auf dem Hindenburgdamm auf Sylt bei Morsum in Richtung Niebüll. Der Gastronom Gosch beklagt, dass die beliebte Ferieninsel nur schlecht erreicht werden kann und macht eigene Vorschläge, wie das Ganze besser laufen könnte. Foto: Christian Charisius/dpa
Sylt ist schlecht erreichbar. Zugausfälle und Verspätungen machen Urlaubern und Pendlern zu schaffen. Ein Sylter Fischhändler hat eine Idee.

List/Westerland. 

Jürgen Gosch ist genervt. Nicht, dass die Geschäfte des Sylter Promi-Gastronoms schlecht liefen. Die Tische in seiner «nördlichsten Fischbude», dem Gosch-Stammhaus im Lister Hafen, sind gut gefüllt – eigentlich wie immer. Es sind die Umstände, die seine Gäste, aber auch Bewohner und Pendler auf sich nehmen müssen, um auf die Insel zu gelangen, die ihn in Rage versetzen. «Das macht auf Sicht keiner mehr mit», sagt der 78-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Er hat sich Gedanken zur Lösung des Problems gemacht – und Großes vor. Auch den Bau einer Eisenbahnbrücke durchs Watt kann er sich vorstellen.

Stein des Anstoßes ist die Bahnverbindung nach Sylt – die einzige zur «Insel der Schönen und Reichen» über Land. Bei Zugfahrten über den Hindenburgdamm kommt es immer wieder zu Ausfällen und Verspätungen, vor der Autoverladung in Niebüll auf dem Festland und in Westerland häufig zu langen Wartezeiten und Staus. «Das gilt nicht nur für tausende Pendler, auf die Sylt wirtschaftlich angewiesen ist, sondern auch für hunderttausende Gäste, die ihren Urlaub nicht mit einer Bahn-Katastrophe beginnen und beenden möchten.»

Keine Tagesgäste mehr

Die Gäste kämen schon gestresst ob der stundenlangen Verspätung an und müssten auch bei der Rückreise wieder lange Zeit vor dem Autozug anstehen. «Ostern und Pfingsten haben sie so sechs Stunden verloren.» Tagesgäste blieben ganz weg. Sorge bereite ihm zudem die Umweltbelastung durch den Autoverkehr, der Westerland regelmäßig ins Verkehrschaos stürze.

«Sylt ist ruhig. Sylt ist Sand, Düne und Meer» und liege ihm deshalb am Herzen, sagt Gosch, der – auf dem Festland in Tönning geboren – in den 60er Jahren auf die Insel kam, als Aalhändler mit Bauchladen anfing und über die Jahre mit Gosch-Lokalen in vielen deutschen Städten sein Glück und ein Vermögen machte. «Diese Insel hat es nicht verdient, dass sie vollgequalmt und mit Schadstoffen belastet wird.»

Die Bahn investiert aktuell 160 Millionen Euro in die Sanierung der Strecke von Hamburg nach Westerland. Bis 2022 soll sie abgeschlossen sein. Allerdings gibt es vor und hinter dem Hindenburgdamm, der Sylt seit 1927 mit dem Festland verbindet, immer noch eingleisige Abschnitte, auf denen sich Fern-, Regional- und Autozüge drängeln. Der komplett zweigleisige Ausbau soll laut Bundesverkehrsministerium erst bis 2030 erfolgen.

Goschs Idee

«Durch die Ausfälle und Verzögerungen bei der Bahn sind der Insel immense wirtschaftliche Schäden entstanden», sagt Gosch. Von den Bahn-Plänen hält er nichts. «Zweigleisigkeit gut und schön. Aber der Verkehr kommt weiter nach Westerland. Und da stehen die Autos dann.»

Ginge es nach ihm, wäre es ganz einfach: Die Autoverladung würde auf große Plattformen direkt an Anfang und Ende des Hindenburgdamms verlegt. Die Fahrt von Niebüll zum Damm und von dessen Ende nach Westerland würde entfallen. «Statt 45 Minuten betrüge die Fahrzeit dann nur noch zehn Minuten», was eine bessere Taktung erlaube. Zudem würde sich der Verkehr auf der Insel direkt in die jeweils gewünschten Richtungen – also nach List im Norden, Hörnum im Süden verteilen, «ohne dass man dieses Nadelöhr in Westerland und dieses Chaos in der Innenstadt hat.»

Gosch hat eine Skizze von einer solchen Plattformen erstellen lassen, die nach seiner Vorstellung auf der Nordseite des Damms auf dem Festland bei Klanxbüll und bei Morsum am östlichen Inselzipfel ins Wattvorland gebaut werden soll. «Ich stelle mir vor, dass diese Plattformen auf Pfählen in Höhe des Bahndammes gebaut werden. Der Boden darunter könnte dann bei Flut weiter von Wasser überspült werden.» Durchlässe sollen dafür sorgen, dass auch Licht an die darunter liegenden Flächen kommt.

So könnte der Eingriff in das Naturschutzgebiet «so gering wie möglich» gehalten werden. In einem zweiten Schritt sei auch der Bau einer eigenen Autozugbrücke möglich, die dann ebenfalls auf einer Pfahlkonstruktion parallel zum Damm durchs Watt verlaufen könnte.

Vorschlag trifft nicht nur auf Gegenliebe

Dass er sich mit seinem Vorschlag nicht nur Freunde macht, sei ihm bewusst. «Natürlich wird es einen Aufschrei geben in Morsum und Arsum. Und die Leute werden fragen, was sollen wir mit dem ganzen Verkehr?» Doch auch diese Leute hätten «die Pflicht, ihren Beitrag zu leisten, die Verkehrs- und Schadstoffbelastung für alle möglichst gering zu halten».

Am besten wäre es, wenn die Autos gar nicht erst auf die Insel kämen. «Aber das muss sich für die Urlauber rechnen.» Deshalb müsse gelten: «Wer seinen Wagen mitnehmen will, muss bezahlen. Und wer ihn auf dem Festland stehen lässt, bekommt einen Bonus.» Die durch die Verlagerung der Autoverladung frei werdenden Flächen könnten in Niebüll als Parkplatz genutzt werden, in Westerland für E-Mietautos und andere smarte und umweltschonende Mobilitätsanbieter.

Die Finanzierung sollte natürlich in erster Linie über die Bahn, den Bund und das Land laufen, sagt Gosch. Aber auch andere Wege seien vorstellbar. «Für eine privatwirtschaftliche Lösung werden sich genügend Investoren finden, da bin ich sicher.»

Naturschutz geht vor

Sylts stellvertretender Bürgermeister Carsten Kerkamm wünscht sich auch eine bessere Bahnverbindung. Er hat aber vor allem die Pendler im Auge, deren Situation angesichts zu kurzer Züge, Verspätungen und Ausfällen «äußerst unbefriedigend» sei. Bei den Autozügen sieht er hingegen keinen dringenden Handlungsbedarf. «Die Autozüge fahren ja, nicht immer pünktlich, aber sie fahren.» Den Vorschlag Goschs sieht er kritisch, vor allem wegen des Naturschutzgebietes. «Das halte ich für nicht denkbar.»

«Solche Ideen kommen einem, wenn man stundenlang im Stau vor der Autoverladung steht», sagt Gosch. «Ich sage: lieber im Naturschutzgebiet etwas machen – mit möglichst geringem Eingriff, als diese Belastung für die ganze Insel weiter und dauerhaft zuzulassen.» Es gebe sicher Menschen, «die mich belächeln und meinen, ich sollte bei meinen Fischen bleiben.» Natürlich könnten die auch Recht haben. «Aber 55 Jahre habe ich mich auf meine Intuitionen, Ideen und Visionen verlassen – und war bisher sehr erfolgreich damit.» (dpa)