Sudan – Antike Tempel, Pyramiden und ein heiliger Berg
Die Tempelstadt Naga, die Pyramiden von Meroe, der heilige Berg Barkal: Im Sudan liegen beeindruckende Unesco-Welterbestätten entlang des Nils.
Shendi.
„All street like this now“, sagt Ahmed Kharif. Die Straßen bleiben jetzt so, heißt das, aber auch: Es wird ungemütlich. Er ist gerade von der Asphaltstraße auf eine unscheinbare Sandpiste abgebogen, das Auto ruckelt ordentlich. In jeder Richtung stehen bloß noch ein paar karge Sträucher vor einer braunen Wand aus Staub, die wohl der Himmel sein muss. Der Wagen hat keinen Türgriff, deshalb hat Ahmed einen Schraubenzieher dabei. Auch die Seitenfenster fehlen.
Man fragt sich, ob man je zurückkehrt, wenn man in dem schrottreifen Fahrzeug eines fremden Mannes durch die Einöde der sudanesischen Wüste zu einem der bedeutendsten Kulturschätze des Landes fährt. Aber anders geht es nicht. Die antike Tempelanlage von Naga liegt 37 Kilometer vom Nil entfernt, abseits der Zivilisation.
Reisende, die etwas sehen wollen und nicht mit einer Gruppe unterwegs sind, sind auf die lokale Bevölkerung angewiesen. Ahmed Kharif wohnt in Shendi, einer kleinen Stadt am Nil, dem längsten Fluss der Welt, rund 180 Kilometer nördlich der Hauptstadt Khartum. Für ein paar sudanesische Pfund hat er sich dazu bereiterklärt, den Gast aus Deutschland nach Naga zu fahren. Die Tempelanlage wurde ungefähr 250 vor Christus erbaut, von den nubischen Königen im Reich von Kusch.
Tor zur Welt der Antike
„Naga war von Süden betrachtet das Tor zur Welt der Antike“, erklärt Dietrich Wildung. „Wenn Händler und Karawanen aus Ostafrika nach Norden marschiert sind, betraten sie in Naga zum ersten Mal eine Stadtsiedlung, die für sie eine Welt der Hochkultur gewesen ist.“ Der ehemalige Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin leitet heute das Forschungsprojekt Naga des Staatlichen Museums für Ägyptische Kunst in München. „Naga war eine Subresidenz, ein politischer Außenposten zur Repräsentanz auch gegenüber den Nomaden“, sagt er.
Der Besucher spaziert staunend durch die Ruinen. Er sieht den Amun-Tempel, den Löwentempel, ein meroitisches Bauwerk mit einem einzigen Tempelraum, aber auch die Hathor-Kapelle mit vielen griechisch-hellenistischen Elementen. „Wenn jemand von Süden nach Naga kam, stand er vor einer Kulisse, die die Weltarchitektur Revue passieren ließ“, sagt Wildung.
Bis zum Beginn der jüngsten Ausgrabungen ist die Tempelstätte seit der Antike unberührt geblieben. Zwar kamen schon im 19. Jahrhundert europäische Forscher und fertigten Pläne der Anlage an. Aber alles wurde im Originalzustand entdeckt, jedes Objekt lässt sich datieren. Naga ist eine archäologische Goldgrube. Das haben auch die reichen Golfaraber mitbekommen. Das Qatar Sudan Archaelogical Project aus Doha finanziert derzeit 38 archäologische Grabungen. Katar stellt rund 2,8 Millionen Euro für ein Museum zur Verfügung.
Weg nach Naga ist beschwerlich
Aber der Weg nach Naga wird wohl beschwerlich und in der Regel nur den Geländewagen der wenigen kommerziellen Reiseveranstalter vorbehalten bleiben. Vielleicht fragt jemand nach Ahmed Kharif. Er setzt seinen Mitfahrer wieder in Shendi ab. „Ma’a as-salama“, heißt es zum Abschied, auf Wiedersehen.
Weiter geht es mit einem örtlichen Bus, entlang des Nils nach Norden. Am Horizont flimmern dürre Büsche in der Hitze, ansonsten gibt es nichts zu sehen außer Sand und ein paar alten Autoreifen. Der Weg zur nächsten Sehenswürdigkeit ist 50 Kilometer entfernt.
Die Pyramiden von Meroe sieht man im Gegensatz zu Naga schon von der Straße aus. Sie waren die Grabstätten der Herrscher des Königreichs von Kusch in der Phase des Reiches zwischen 300 vor und 300 nach Christus. Die Erbauer haben sich am Totenkult der Ägypter orientiert. Die Nekropole verleiht der einstigen Königsmetropole Meroe eine mystische Atmosphäre. Unweit des Nils liegen zwar auch die Ruinen der alten Hauptstadt, aber sie sind weniger sehenswert.
Auf dem Kamelrücken ins Wüstencamp
Bis zu den Grabstätten ist es von der Straße ein kurzer Marsch. Direkt bei den Pyramiden steht ein kleines Haus, in dem der Besucher ein Ticket kauft. Ein Mann namens Abdul bietet den Rücken seines Kamels an, um den Reisenden zu dem Wüstencamp zu bringen. Es wurde im Jahr 2000 von einem italienischen Reiseunternehmen gebaut. Diplomaten und Geschäftsleute aus Khartum übernachten hier, außerdem Italiener, Briten, Amerikaner und wenige Studienreisegruppen aus Deutschland.
„Es ist am besten, jetzt in den Sudan zu reisen, bevor es von den Touristen ruiniert wird“, sagt Fadoul Mobark, der Manager des Camps. Als abschreckendes Beispiel nennt er Ägypten, wo die Leute den Urlaubern hinterherliefen und für jede noch so simple Gefälligkeit „Bakschisch“ forderten, ein Trinkgeld. „Davor habe ich Angst“, sagt der Sudanese und blickt in die staubige Einöde.
Im Abendlicht wirken die Grabstätten von Meroe friedlich
Abends, wenn die Sonne über dem Nil versinkt und die Pyramiden in goldenes Licht taucht, wirken die Grabstätten von Meroe überaus friedlich. Die Schatten auf dem Wüstensand werden länger, der Mond ist schon am Himmel zu erkennen, und Abdul wartet wie gewohnt mit seinem Kamel.
Sudan
Der Weg zum letzten Ziel der Reise führt weiter nach Norden, nach Karima zum heiligen Berg Barkal. Es ist zugleich eine Reise, die noch tiefer in die Vergangenheit Nubiens führt. Denn 750 vor Christus wurde hier Napata die Hauptstadt des Reiches von Kusch.
Die Stadt wurde aber schon 1450 vor Christus vom ägyptischen Pharao Thutmosis II. gegründet. Südlich des Jebel Barkal liegt der Amun-Tempel. Die antiken Stätten von Napata gehören heute ebenfalls zum Unesco-Welterbe.
Den Fußweg auf den Jebel Barkal tritt man am besten nachmittags an, wenn es nicht mehr so heißt ist. Für eine so flache Region wie das Niltal ist die Sicht von dem Felsplateau ziemlich spektakulär. Der Blick fällt über die Ufer des Flusses und die Stadt mit ihren Minaretten, bis er sich in der distanzlosen Ferne der Wüste verliert. (dpa)