Die Holsteinische Schweiz rund um Plön verspricht herrlich hügelige Wald- und Seenlandschaften – und ein paar besondere Überraschungen.
Bad Malente-Gremsmühlen.
Erste Gipfelgefühle locken schon zwei Kilometer nach dem Startpunkt. Unweit des Luftkurortes Bad Malente-Gremsmühlen geht es 147 Stufen hinauf. Der kleine Abstecher zur Aussichtsplattform des 30 Meter hohen Holzbergturms lohnt: Der Rundumblick schweift über tiefblaue Gewässer, gerahmt von hügeligen Äckern, Wiesen und Wäldern. Die Ostsee schimmert am Horizont.
Der Holzbergturm thront auf einem Hügel inmitten der Holsteinischen Schweiz , einer eiszeitlich geschaffenen Moränenlandschaft, durchzogen von Auen und gespickt mit mehr als 150 Seen. So bietet dieser Ausguck eine perfekte Vorschau auf die Strecke, die es heute zu radeln gilt: die Fünf-Seen-Rundtour von Malente über Plön und zurück.
Dass der vermeintlich platte Norden den Beinamen Schweiz trägt, ist einem umtriebigen Geschäftsmann zu verdanken: Johannes Janus. Der erkannte das Potenzial der lieblichen Plöner Seenlandschaft bereits am Ende des 19. Jahrhunderts. Janus war es auch, der die ersten Landungsstege, Aussichtspunkte und Ausflugsdampfer am Kellersee realisierte. Schließlich verpasste er nicht nur seinem Hotel den Namen Holsteinische Schweiz, sondern auch einer Bahnstation.
Eine Erhebung so hoch wie ein Wolkenkratzer
Der Bungsberg in Ostholstein, Schleswig-Holsteins „Zugspitze“, ragt immerhin genauso hoch empor wie das höchste Bürogebäude der Schweiz: 168 Meter. Damit ist er ein beliebter Rodelberg. Doch daran ist heute nicht zu denken. Schon am Vormittag klettert das Thermometer auf 30 Grad. Es wäre verlockend, hier unter dem Dach des Holzbergturms die Picknickdecke auszubreiten. Doch zu groß ist die Radellust.
Die Route führt auf herrliche Wald- und Wiesenwege. Und die Neugier führt zum historischen Plöner Schloss, zur Prinzeninsel und zur romantischen Krönung der Tour im Dodauer Forst: Die Bräutigamseiche. Auf hügeligen Sandwegen geht es nördlich des Dieksees geschmeidig auf und ab. Wie sanfte Wellen heben und senken sich goldgelbe Äcker und Stoppelfelder. Bisweilen kommen fast toskanische Eindrücke auf.
Bald säumt mannshoher Raps die Feldwege. Immer wieder glitzert das nahe Blau der Seen, bis ein Pfad kurz vor der Kreisstadt Plön direkt am Ufer des Schöhsees unter einem kühlenden Blätterdach entlangführt. Eine Wohltat an diesem heißen Sommertag.
Besuch im Plöner Schloss
Anmutig auf einem Hügel gelegen, glänzt das Prunkstück der Region schon bald in der Ferne: das strahlend weiße Plöner Schloss. „Dieses Haus verströmt 400 Jahre Geschichte und hat ganz unterschiedliche Epochen miterlebt“, erklärt Lars Hellberg auf einer Führung durch das Gebäude. Vom Gartensaal geht es in den Rittersaal, von prunkvollen Gemächern mit kunstvollen Stuckdecken bis in die historische Kapelle.
Einst war das Schloss die Sommerresidenz des dänischen Königs Christian VIII., später in preußischen Zeiten war es Kadettenanstalt. Nach dem Zweiten Weltkrieg büffelten hier Schülerinnen und Schüler im Internat. „Hier ist heute die Fielmann Akademie untergebracht, wir bilden hier unsere Augenoptiker weiter“, erzählt Geschäftsführer Hellberg. Vier Jahre sei das Gebäude umgebaut und restauriert worden.
„So konnten wir dem Schloss seinen alten Glanz und der Kapelle ihre historischen Wandmalereien zurückgeben. Heute dürfen sich Paare darin sogar das Jawort geben“, sagt Hellberg. Wer hinaus auf den Schlosshof tritt, schaut von der baumumsäumten Balustrade über die Dächer der Plöner Altstadt, den Turm der St. Nikolaikirche und weit hinaus über den Großen Plöner See, gerahmt von Wald und Grün.
Abstecher auf die Prinzeninsel
Die nahe Prinzeninsel erhielt ihren Namen durch die sechs Söhne Kaiser Wilhelms II. Über den Schlossgarten führt ein Sandweg hinab auf die rund anderthalb Kilometer in den See hineinragende Halbinsel. Uralte Hainbuchen und Stieleichen streben ins nordische Himmelblau. Eine Wonne ist es, durch den würzig duftenden, Schatten spendenden Wald zu radeln, während links und rechts das Wasser funkelt.
Vorbei am Badestrand geht es entlang der Seeufer wieder zurück in Richtung Malente, zum wohl geschichtsträchtigsten Baum weit und breit, der 500-jährigen Bräutigamseiche. Seit fast 100 Jahren trägt sie eine eigene Postanschrift. Noch länger ist es her, dass ein junges Paar unter ihrem Blätterdach Hochzeit feierte.
Wie der Baum zu seinem Namen kam
Die Geschichte geht so: Weil der Eutiner Oberforstmeister seiner Tochter den Umgang mit einem Leipziger Schokoladenfabrikanten verbot, tauschte das Pärchen seine Liebesbotschaften heimlich über ein Astloch dieses Eichbaums aus. So lange, bis schließlich auch der strenge Vater einer Vermählung zustimmte. Das war im Jahr 1891. Über Kurgäste verbreitete sich das Happy End im ganzen Land.
„Die Eiche ist Romantik pur“, sagt Karl Heinz Martens, der 20 Jahre lang der zuständige Postbote für die Eiche war. Menschen aus aller Welt schicken bis heute Kontaktgesuche an diesen Baum. „Hier gilt das Briefgeheimnis nicht“, sagt der 77-Jährige. „Jeder Besucher darf die Leiter hinauf klettern, die Briefe aus dem Astloch nehmen, sie lesen oder mitnehmen und beantworten.“ Mehr als 100 Ehen seien über diese Eiche bereits vermittelt worden – auch die von Postbote Martens.
Auch am heutigen Tag ist das Astloch gut gefüllt. Partnergesuche, selbst gemalte Bilder und freundliche Botschaften aus Deutschland, Großbritannien und den USA füllen die kleine Baumhöhle.
Eines mag Martens nach Jahrzehnten als schwer beladener Postbote nicht mehr: Radfahren. „Sie können mir das schönste Rad vor die Nase stellen, meinetwegen auch ein E-Bike, aber ich kann kein Rad mehr sehen“, sagt der Eutiner und lacht. Schade, denn die letzten Kilometer durch den Dodauer Forst zurück auf Start sind purer Genuss. (dpa)