Von Leipzig nach Dresden: Mit der Postkutsche durch Sachsen
Mit der Postkutsche von Leipzig nach Dresden fahren? Das ging vor 150 Jahren – und geht auch heute noch.
Leipzig.
Professor Frank Roch steht in Frack und Zylinder am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und wartet auf die Postkutsche. Der Physiker will nach Dresden reisen, um sich dort mit einem anderen Gelehrten auszutauschen.
Was klingt wie eine Szene aus einem Historienfilm, ist keine. Die gelbe Kutsche kommt an diesem sonnigen Septembermorgen wirklich und Professor Roch wird damit vier Tage nach Dresden unterwegs sein. Es ist ein ausgefallenes Angebot, das ein Kutschunternehmen aus Bad Düben geduldigen Reisenden macht.
Idee stammt vom ehemaligen Staatsforst-Kutscher
Der 58-jährige Kutscher Siegfried Händler hatte 2004 die Idee zum Reisen wie zu Zeiten Napoleons. Er war ursprünglich als Kutscher im sächsischen Staatsforst beschäftigt gewesen, erzählt er. „Holzrücken mit Pferden“ – das sei sein Job gewesen, der aber zunehmend durch große Technik ersetzt worden sei. Da habe er sich schließlich selbstständig gemacht. „Ich hatte immer mit Pferden zu tun“, sagt er. Zehn Tiere gehören zu seinem Unternehmen für Kutsch- und Kremserfahrten – zwei davon seien schon Rentner.
Die Postkutsche ziehen auf dieser Reise die Kaltblüter „Evi“ und „Frau Krause“. Das seien Arbeitspferde, sagt Händler. Die historisch anmutende Kutsche sei im Übrigen ein Nachbau nach originalen Zeichnungen von 1830. „Da haben wir extra aufs Gewicht geachtet.“ Das Gefährt wiege ungefähr eine Tonne. Er besitze auch eine alte Kutsche, die wiege 700 Kilogramm mehr. „Evi“ und „Frau Krause“ transportieren insgesamt neun Fahrgäste und ihr Gepäck von Leipzig nach Dresden.
Professor Roch hat über einen Fernsehbeitrag von dem Angebot erfahren. Seine Kleidung habe er extra für die Postkutschen-Fahrt schneidern lassen. „Das kostet mehr als die Reise“, sagt der 64-Jährige lachend. Aber er habe sich gedacht: „Wenn schon, dann soll es auch passen.“ Für die Fahrt habe er sich außerdem eine kleine Rolle ausgedacht. Er reist im Jahr 1850, um in Dresden mit Professor Blochmann über die Gründung einer Universität zu sprechen.
Mit sechs bis sieben Kilometer pro Stunde unterwegs
Die anderen Mitreisenden sind mehr im Hier und Jetzt unterwegs, aber nicht weniger gespannt. Michael Lippold (70), Petra Niederstraßer (67) und Hans-Peter Niederstraßer (70) sind extra aus Schwerin gekommen, um in der mit plüschigem grünen Samt ausgeschlagenen Kutsche gemächlich mit sechs bis sieben Kilometer pro Stunde durch Sachsen zu reisen. Eine Tagesetappe umfasst ungefähr 40 Kilometer, dann wird im Hotel übernachtet. Sie scherzen, dass dies das Reisen der Zukunft werde. „Wir reiten vor“, sagt Hans-Peter Niederstraßer.
Ein großer Trend sind Postkutschenfahrten allerdings eher nicht. Belastbare Zahlen zu solchen touristischen Angeboten gibt es laut Landestourismusverband (LTV) Sachsen nicht. Kutsch- und Kremserfahrten würden aber auch andernorts angeboten, etwa als Stadtrundfahrten in der Landeshauptstadt Dresden. Es handele sich um „ein interessantes Nischenangebot, das den Urlaub definitiv bereichert“, so der LTV.
Die Reisenden in der Postkutsche sind angetan von der Gemütlichkeit ihres Gefährts. Belustigt schauen sie aus den Fenstern zu, wie Radfahrer sie spielend überholen. Ständig zücken Fußgänger am Wegesrand ihre Handys, um die auffällige Kutsche zu fotografieren. „Es ist bequemer als ich es befürchtet gehabt hätte“, sagt Professor Roch. Matthias Schille, der die Reise als Überraschung für seine Frau gebucht hat, hebt vor allem die Entschleunigung hervor. „Das tut der Seele gut“, sagt der 65-Jährige. (dpa)