Im Kurort Bad Aibling können Gäste beim Moorbad entspannen. Das Naturheilmittel kommt direkt aus der Region.
Bad Aibling.
Die Dame aus Franken ist skeptisch: In 42 Grad heißes Badewasser soll sie steigen und es 20 Minuten darin aushalten. Das kann doch nicht gesund und schon gar nicht angenehm sein. Doch genau so ist es, wenn Moor in die Wanne kommt.
Per Knopfdruck füllt ein Mitarbeiter der Wendelstein-Klinik in Bad Aibling die Wanne mit dem schwarzen, dickflüssigen Brei. Die Fränkin steigt in das ungewohnte Gemisch. Und ist ganz schnell relaxed. Gar nicht so heiß fühlt sich das Moorbad an. Und es entspannt, die zerkleinerten Überbleibsel aus uralten Gräsern, Blättern und Moosen langsam zwischen den Fingern zu verreiben. Spätestens zur Badehalbzeit rinnt jede Menge Schweiß von der Stirn, der am Ende ebenso sorgfältig abgeduscht wird wie der dunkle Schlamm.
Ein solches Badeerlebnis findet in Bad Aibling an die 30.000 Mal im Jahr statt, stationär oder ambulant. Wendelstein-Klinikleiter Alex Höfter ist von der Heilkraft der Anwendungen überzeugt. Im Moorbad wirken Wärme und Inhaltsstoffe zusammen. Weil Moor Hitze nur langsam abgibt, wird es auch bei hohen Temperaturen als erträglich empfunden. Bei 42 Grad beschert es den Badenden ein künstliches Fieber, das gewollt ist und die Selbstheilungskräfte des Körpers stärkt.
Ein schützenswertes Gut
Pro Wanne werden zwei bis zweieinhalb Zentner Moor gebraucht. Die liefert Max Pandradl, der in der Region Bad Aibling das „schwarze Gold“ ausgräbt. Schätzungsweise 40 000 Kubikmeter Torf hat Panradl bisher mit seinem Bagger aus dem Boden geholt.
Entstanden ist das Aiblinger Moor in der letzten Eiszeit, als sich im Inntal ein gewaltiger Gletscher zurückzog und den längst verlandeten Rosenheimer See hinterließ. In den verbliebenen Feuchtmulden bildeten abgestorbene Gräser, Wurzeln und Moose nach und nach das Moor – ein Gebilde, das pro Jahr nur um einen Millimeter wächst. Entsprechend scharf sind die Vorschriften zum Schutz der Moore.
Ausflüge in der Umgebung
Kurgäste und Touristinnen können die Moore der Umgebung zu Fuß erkunden. Auf gut markierten und gesicherten Wegen geht es durch eine urtümliche Landschaft, in der sich Tausende Wasservögel tummeln. Und in der lauschige Ruheplätze zu Rast und Besinnung einladen.
Leichte Wanderungen durch das Mangfall-Tal, Ausflüge ins oberbayerische Voralpenland und auf den nahen Wendelstein sind beliebt bei den Besuchern. Wer im Ort bleiben will, nimmt ein Bad im Blumenmeer des großen Kurparks oder in der schicken Therme, in der aus fast 2300 Metern Tiefe 39 Grad warmes Heilwasser sprudelt.
Die Geschichte eines Visionärs
Unbestritten im Mittelpunkt steht freilich das Moor, das Bad Aibling zu einer der beliebtesten Kurstädte Bayerns gemacht hat. Zu verdanken hat die Gemeinde diese Position dem Gerichtsarzt Desiderius Beck, der die Heilkraft des Moores schon vor 175 Jahren richtig einzuschätzen wusste. 1845 eröffnete er die „Soolen- und Moorschlamm-Badeanstalt“ – die allererste in Bayern. So richtig in Schwung kam sein Geschäft anfangs nicht. Es dauerte gut zehn Jahre, bis der Badebetrieb endlich Gewinn abwarf und neue Kureinrichtungen entstanden.
Beck wurde zum Aushängeschild des Städtchens Aibling, dem Prinzregent Luitpold 1895 den Titel „Bad“ verlieh. Dass der hochgeschätzte Doktor Beck einmal kurz vor dem Bankrott stand, ist im Ort unvergessen. Denn leicht hat es auch Bad Aibling nicht immer gehabt. Harte Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen haben die deutsche Bäderlandschaft und damit auch die oberbayerische Kommune massiv getroffen.
Neue Pläne für die Post-Pandemie-Zeit
Auch die Corona-Pandemie hat unübersehbare Spuren im Kurbetrieb hinterlassen. Thomas Jahn ist trotzdem froh, mit „zwei blauen Augen“ davongekommen zu sein, wie er sagt. Für die Zukunft sieht er durch die Pandemie sogar neue Chancen: „Corona hat bei den Menschen das Bewusstsein für die Gesundheit geschärft, das Thema hat einen höheren Stellenwert bekommen und kann uns helfen, Gäste zu gewinnen.“
Angepeilt werden unter anderem Nachsorge- und Therapieeinrichtungen für Long-Covid-Patienten. Ein Lieblingsprojekt des umtriebigen Kurdirektors ist ebenfalls auf dem Weg: Für gut fünf Millionen Euro soll in Bad Aibling eine nagelneue, 1700 Quadratmeter große Moorbadeanlage mit allen Schikanen entstehen.
Auch Max Panradl ist für die Zukunft gerüstet. Seit sich der Moorabbau für den klassischen Kurbetrieb nicht mehr sonderlich lohnt, geht er direkt auf die Endverbraucher zu. Im heimischen Betrieb stellen er und seine Frau kleine Kuren zum Mitnehmen her: Moorbäder für die Badewanne daheim, Moorkissen, Moorsalben und Moorseifen. (dpa)