Was ist dran am Mythos vom Heiraten in Las-Vegas? Eine Spurensuche abseits der hellen Lichter und großen Casinos in den kleinen Hochzeitskapellen
Las Vegas.
Graceland liegt an einem ruhigen Teil des Las Vegas Boulevard, ein wenig entfernt von den grellen Lichtern und glänzenden Goldfassaden der Casinos und Luxus-Hotels.
Glanz und Glamour der berühmten Wüstenstadt finden sich im Süden am Strip. Oder im Norden in Downtown. Hier warten das Glück im Spiel, das schnelle Geld und meist Reue und leere Taschen am nächsten Morgen.
Graceland, genauer die Graceland Wedding Chapel, bietet den anderen Teil des Mythos Las Vegas. Hier wird geheiratet. Und Elvis hält die Traurede – heute für Jane und Edward Schneider. Das Paar aus Texas will sich an diesem sonnigen Morgen die ewige Treue versprechen. Zum zweiten Mal nach 40 Jahren Ehe. Und weil Jane die Musik von Elvis Presley so liebt, haben sie sich die Graceland Wedding Chapel mit „Elvis“ Brandon Paul ausgesucht.
Die Traumhochzeit im Paket
Paul und Partnerin Dee Dee Duffy verheiraten in dem unscheinbaren weißen Holzhaus mit künstlichem Türmchen nicht einfach nur Menschen. Sie verkaufen hier Träume. „Hier dreht sich alles um diese 15 besonderen Minuten“, sagt Duffy. Es gibt eigentlich nichts, was hier nicht geht. Die Paare wählen ihr Paket – zum Beispiel „Loving you“ mit Elvis-Eskorte zum Altar, drei von „Elvis“ gesungenen Songs, Blümchen und Foto für 329 US-Dollar. Plus Steuern und Kosten für den Minister – selbstverständlich Cash und Vorkasse.
Und schon geht die Show los. Rockstar Jon Bon Jovi – darauf sind Paul und Duffy wirklich stolz – hat hier geheiratet. Auch der echte King of Rock n Roll soll einmal vorbeigeschaut haben. Die Kapelle war für seine Hochzeit mit Priscilla aber zu klein.
Luxus und Glamour findet man in der kleinen Graceland Wedding Chapel nicht. Nur ein Buntglasfenster bringt etwas Tageslicht durch die in einem undefinierbaren Beigeton gestrichenen Wände, die Klimaanlage surrt auf Hochtouren, die Lautsprecher klirren. Aber darum geht es nicht.
Heiraten vor dem King
Wenn „Elvis“ Brandon Paul mit umgeschnallter Gitarre den Raum betritt und „Okay, let’s rock and roll kids“ ruft, füllt er die unscheinbare Kapelle mit diesem diffusen Traum von Graceland und Las Vegas. Ausbruch aus dem Alltag, Hoffnung auf die große Liebe.
Elvis erzählt dem Paar von der Bedeutung der Ehe, singt drei Songs und packt allerlei Elvis-Anspielungen in die Treueschwüre. Aber ganz gleich, ob man Baukasten-Hochzeiten im 15-Minuten-Takt gegen Vorkasse geschmacklos findet oder ganz fantastisch – dem Paar vor dem Traualtar steigen allerlei Erinnerungen in den Kopf, die Augen werden etwas feucht, es gibt viel Gelächter. Und am Ende werden die gebürtige Britin und der Texaner mit deutschen Wurzeln erneut zu Mann und Frau erklärt.
Für den erstmaligen Zeugen einer solchen Elvis-Hochzeit ein surreales und ziemlich beeindruckendes Erlebnis. Die Schneiders sehen das Ganze viel lockerer: Ehe erneuern, Elvis, Spaß – genau deswegen hat das Paar die Graceland Chapel gebucht. Dazu ein paar schöne Fotos für die Lieben daheim, den optionalen Facebook-Livestream spart man sich.
Seit 1977 gibt es Hochzeiten mit Elvis-Imitatoren in der Graceland Chapel. Wie viele Hochzeitskapellen und wie viele Elvisse es in Las Vegas gibt, weiß niemand so recht.
Eheversprechen mit Spaßfaktor
Brendan Paul mit seiner beeindruckenden Tolle und der Stimme, die wirklich nur ganz knapp nicht wie der echte Elvis klingt, ist aber einer der wenigen, die als Minister auch verheiraten dürfen. Bis zu 50 Mal tritt er an einem geschäftigen Tag vor Paare, nimmt ihnen das Eheversprechen ab. Oder er lässt bei den „Commitment-Zeremonien“ einfach zwei Menschen erklären, wie gern sie einander haben.
„Aus irgendeinem Grund liebe ich es“, sagt Paul, der auch schon im Berliner Hotel „Estrel“ den Elvis gab. Selbst nach 24 Jahren im Business bekommt er nicht genug davon. Mann mit Frau, Frau mit Mann, Mann mit Mann, Frau mit Frau, Mann mit sich selbst – alles geht. „Wir machen es einfach und wir machen es spaßig.“ Ein paar Schritte den South Las Vegas Boulevard hinauf und dann links, bei Vegas Weddings an der 3rd Street, Ecke Bonneville Avenue, haben heiratswillige Paare nahezu die freie Wahl. Ganz spontan und shabby als Walk-in-Wedding am mit Blumen ummalten Fenster in der Durchfahrt. Oder im Drive-through vom Autositz aus. Statt einer Papiertüte voller Burger und Fritten gibt es eben eine Heiratsurkunde.
Zwei Kapellen gibt es in dem extra zum Heiraten gebauten Ziegelhaus an der Straßenecke. Auch bei Vegas Weddings gibt es das volle Programm: Kleidermiete, Catering, Musik, Fotos, Livestream – was immer Kunden wollen. Auch zwei Elvisse kann man buchen.
Selten bleiben Wünsche offen
„Es ist eine harte Industrie“, sagt Hochzeitsplanerin Whitney Cox. Schließlich heiratet man im Idealfall nur einmal, selten kommen Kunden mehrfach. Viele finden auf Empfehlung zu ihnen. Teils mit absurden bis lustigen Wünschen von der Star-Wars-Hochzeit bis zur Verheiratung von zwei Robotern. „Wir machen alles, was legal ist“, sagt Cox.
Mehr als vier Jahre ist die Soziologin schon im Hochzeitsgeschäft. Und sie beobachtet einen Wandel. Mehr Renewals, also Erneuerungen des Eheversprechens wie bei den Schneiders, mehr ausgefallene Wünsche, mehr konkrete Planung, aber auch mehr Spontanhochzeiten. Das Gesetz in Nevada macht es einfach. 77 Dollar kostet die Lizenz, sie ist ein Jahr gültig. Damit geht man zu einer der autorisierten Hochzeitskapellen. Im Vergleich zu Deutschland geradezu paradiesische Zustände. Und wer vor dem Gesetz nicht heiraten darf – zum Beispiel weil man schon verheiratet ist – verspricht sich halt ohne Trauschein in der Kapelle die Treue.
Nur an einer Stelle schwächelt der Mythos vom Heiraten in Las Vegas leider. Oder vielleicht zum Glück. „So etwas bekommen wir hier nicht zu sehen“, sagt Whitney Cox über betrunkene Spontanhochzeiten mit ordentlichem Kater und Reue am nächsten Morgen. Das Gesetz verbietet es. Betrunken geschlossene Ehen sind nicht gültig, wer Betrunkene verheiratet riskiert seine Lizenz.
Beruhigend irgendwie, aber auch etwas langweilig. Aber vielleicht ist ja doch was dran am Mythos von der schnellen Hochzeit mit ebenso schneller Scheidung? Die Vegas-Spontanhochzeit von Popstar Britney Spears jedenfalls hielt nur wenige Tage. Also raus das Smartphone: Die schnelle Onlinesuche nach Scheidungsanwälten in der Umgebung ergibt einen Haufen Treffer. Einer sitzt gleich im Nachbarhaus.
Etwas weiter südlich, zwischen eher günstigen Hotels, einer obskuren Kneipe und weiteren Hochzeitskapellen liegt die Royal Wedding Chapel. Hier führt Petra Dörr die Geschäfte und zeigt stolz die Kapelle, in der ein mächtiger Baum Schatten spendet und dem von außen unscheinbaren Zweckbau viel Flair verleiht.
Alles ist möglich
In der elegant eingerichteten Kapelle sind eher klassische Zeremonien angesagt, erklärt die gebürtige Hessin. Wer will, kann aber auch den King auf die Bühne bringen. „Elvishochzeiten sind aber kein preiswertes Vergnügen.“ Grundsätzlich geht auch hier auf Marmorboden unter grünen Blättern alles was gefällt.
Nichtmal Englisch muss man sprechen. „So lange sie das „Yes, I do“ hervorbringen, können wir sie verheiraten“, sagt Dörr. Das gilt für die wachsende Zahl internationaler Gäste und besonders für chinesische Touristen. Für sie ist die Zeremonie in Las Vegas häufig eher ein Gag für soziale Netzwerke als wirkliches Eheversprechen.
Am Ende kriegen Kunden eben alles, was man mit Geld bezahlen kann. Von schnell und trashig bis hin zu elegant und mit Stil, mit Hubschrauberflug zum Grand Canyon oder Limousinentour. „Alles ist möglich“, lautet eine häufige Antwort. Also ist am Ende alles ein Business und die Romantik kommt zu kurz? Petra Dörr widerspricht da. Es geht um Liebe, Treue und ein Leben zu zweit: „Du solltest jede Menge Spaß mitbringen, hier aber nicht zum Spaß heiraten.“ (dpa)