Schau über das Segelschulschiff
„Gorch Fock“ Wilhelmshaven
Eine neue Ausstellung in Wilhelmshaven gibt Einblicke in das Leben an Bord – und lässt auch Negativschlagzeilen vergangener Jahre nicht aus.
Wilhelmshaven.
Die „Gorch Fock“ hat auf ihren 800.000 zurückgelegten Seemeilen schon so einigen Stürmen getrotzt – auf hoher See ebenso wie medial. Der „Stolz der Marine“, wie einer ihrer Spitznamen lautet, ist nicht nur geschichtsträchtiger Ausbildungsort tausender Kadettinnen und Kadetten.
Zuletzt machten auch Kontroversen um die Sicherheit an Bord und um explodierende Reparaturkosten, die sogar beinahe den Untergang der Bark bedeuteten, dem Schiff zu schaffen. Das Deutsche Marinemuseum in Wilhelmshaven zeichnet in einer Sonderausstellung von diesem Mittwoch (12. Mai) an die bewegte Geschichte des Segelschulschiffes und der Ausbildung nach.
Ausstellung über das traditionelle Seemannswerk
„Dieses Schiff polarisierte schon immer“, sagt Museumsleiter Stephan Huck. Nicht nur in der Öffentlichkeit, auch bei dem Offiziersnachwuchs selbst, dem auf der „Gorch Fock“ das traditionelle Seemannswerk beigebracht wird. In Zeiten, in denen Kriegsschiffe mit Hilfe von Radar und Satelliten gesteuert werden, braucht es da überhaupt noch eine seemännische Ausbildung auf einem Großsegler? „Die Frage ist so alt wie die Marine selbst“, sagt Huck.
Während Kritiker das Segeln lernen beim Militär für aus der Zeit gefallen halten, betonen Befürworter, dass gerade das zur seemännischen Ausbildung dazu gehöre. „Wir wollen keine Meinung vorschreiben“, erklärt der Museumsleiter. Vielmehr solle die Ausstellung Informationen zu einer sachlichen Meinungsbildung bieten.
Die Schau gibt anhand verschiedener Exponate und Mitmach-Angebote einen Einblick in den Alltag und die Ausbildung auf dem Dreimaster. Welche Aufgaben muss die rund 200-köpfige Besatzung übernehmen? Welche Segel werden bei welchen Windstärken gesetzt? Und wie fühlt es sich an, bei Wind und Wellengang in Schräglage auf den Schiffsplanken das Gleichgewicht zu halten? „Die Ausstellung soll auch ein Stück weit einen sinnlichen Eindruck geben“, sagt Huck. Der Fokus liege auf dem Wandel der Ausbildung seit den 1950er Jahren an Bord.
Statussymbol und dunkle Kapitel
Doch für die Marine ist die „Gorch Fock“ mehr als nur ein prachtvolles Schulschiff. Neben der Kadetten-Ausbildung ist der Dreimaster auch ein maritimer Botschafter Deutschlands auf den Weltmeeren, ein Statussymbol – auch davon erzählt die Ausstellung . Bei zahlreichen Auslandsreisen habe das Schiff in vielen Häfen zu einem positiven Bild von Deutschland beigetragen, sagt Huck. Einst zierte das Schiff gar die Rückseite des blauen Zehn-Mark-Scheins.
Zu dem Glanz gehören aber auch die Negativschlagzeilen rund um die „Gorch Fock“, die etwa anhand ausgestellter Zeitungsartikel im Marinemuseum deutlich werden: Als die heute mehr als 60 Jahre alte Bark Anfang 2016 zur Generalüberholung ins Dock kam, wurde nach und nach entdeckt, was alles repariert werden musste: Takelage, Rumpf, Holzdeck, Masten. Die Reparatur entwickelte sich zu einer jahrelangen, nicht enden wollenden Odyssee. Den Steuerzahler kostete sie statt zunächst geplanten 10 nun rund 135 Millionen Euro.
Auch zwei tödliche Unfälle von Kadetten ließ die Bark in wenig positiven Licht erscheinen. Eine Kadettin war bei der Ausbildung aus der Takelage aufs Deck gestürzt – die Masten sind bis zu 45 Meter hoch. Eine andere Kadettin schob nachts Wache und verschwand von Bord. Ihre Leiche wurde später im Meer gefunden – was passierte, wurde nie restlos aufgeklärt. Die Ausstellung zeigt, wie die Marine seitdem Sicherheitsmaßnahmen anpasst.
Nur das echte Schiff fehlt
Für die Ausstellung griffen die Kuratoren auf zahlreiche Logbücher der Kadetten zurück – einer Mischung aus Schulheften und Tagebüchern, in denen die meist 18 bis 20 Jahre jungen Männer zu ihren Törns genau Buch führten. „Die Logbücher waren unser erster Zugang“, sagt Kurator Klaus Schroeder. Die Bücher gäben nicht nur einen Einblick in die Ausbildung selbst, sondern auch zu den Vorschriften an Bord. In den Heften, die zum Teil in der Schau auch zu sehen sind, berichten Anwärter auch von Enge und Schlafmangel in den dreigeschossigen Hängemattenlagern, von Muskelkater und Höhenangst bei dem Klettern in den Masten, aber auch von Teamgeist und Gemeinschaftsgefühl.
„Das Segeln lernen ist die nicht das Primärziel an Bord“, berichtet Kuratorin Suzanne Foxley. Vielmehr gehe es neben dem Umgang mit den physischen Belastungen auf dem Schiff auch um die Entwicklung von Sozialkompetenz. Denn neben der seemännischen sei der Marine auch an der charakterlichen Ausbildung des Offiziersnachwuchses gelegen.
Allein die „Gorch Fock“ selbst fehlt dem Marinemuseum noch – die Ausstellung ziert lediglich ein Miniaturmodell. Eigentlich wurde das rundumsanierte Schiff bereits Ende Mai, quasi pünktlich zur Ausstellung, zur Endausstattung im Wilhelmshavener Marinearsenal erwartet. „Natürlich wäre das schön gewesen“, sagt Huck. Doch erst kürzlich wurde bekannt, dass die Ablieferung sich wegen der Corona-Pandemie verzögert – wohl bis in den Spätersommer.
>>>Service
Die Sonderausstellung wird am Mittwoch, 12. Mai, um 19.00 Uhr mit einem Livestream über den Youtube-Kanal des Deutschen Marinemuseums eröffnet. Der Besuch ist dann ab Donnerstag möglich. (dpa)