Frankfurt-Boom: Neue Altstadt verschafft Stadtführern Arbeit
Die neue Frankfurter Altstadt soll das Image der Stadt ändern. Der boomende Tourismus hat den Beruf des Stadtführers begehrt gemacht.
Frankfurt/Main.
Für Silke Wustmann beginnt die Arbeit an diesem kalten Wintertag am Hühnermarkt vor dem Brunnen. Im alten und inzwischen auch wieder neuen Zentrum der Frankfurter Altstadt hat sich vormittags um die Stadtführerin eine kleine Runde von Frauen geschart. Eine davon hat heute Geburtstag und hat zur Feier die studierte Kunsthistorikerin verpflichtet. Von ihr erfährt die Gruppe, dass der nach dem Heimatdichter Friedrich Stoltze benannte Brunnen das einzig Echte in der „Altstadt“ ist. Berühmte Fachwerkhäuser konnten wegen fehlender Baupläne oder dem heute verpflichtenden Dämmschutz gar nicht originalgetreu rekonstruiert werden. Es sind «schöpferische Nachbauten», wie Wustmann feststellt.
Die Stadtführerin, die seit 30 Jahren leidenschaftlich gern mit ihren Gästen Frankfurt auskundschaftet, war kein Fan des heftig umstrittenen Wiederaufbaus der Altstadt. Inzwischen hat sie sich aber mit der Kulissenarchitektur angefreundet. „Ich bin von der handwerklichen Qualität beeindruckt“, sagt die 52-Jährige. Für die Häuser seien erstklassige Materialien benutzt worden, lobt sie. Das zwischen Römer und Kaiserdom gelegene Mini-Viertel mit der Größe eines Fußballfelds eigne sich zugleich hervorragend, Frankfurts große Geschichte als „heimliche Hauptstadt“ des alten Reiches zu illustrieren.
Blick hinter die Kulisse
Die vor fünf Monaten „wiedereröffnete“ Frankfurter Altstadt hat sich in wenigen Monaten zum Besuchermagneten entwickelt – und Wustmann und ihren Kollegen einen Boom beschert. Die „Frankfurter Stadtevents“ beschäftigen rund 50 – allein sieben sind in der Altstadt unterwegs. Das Unternehmen, ein Ableger der Stadtillustrierten „Journal Frankfurt“, hat Führungen zum florierenden Geschäft gemacht. Im vergangenen Jahr wurden 62.000 Besucher gezählt – beim Start vor zehn Jahren waren es noch 8000 gewesen.
Inzwischen bietet „Stadtevents“ rund 4000 Führungen zu fast 450 unterschiedlichen Themen an – von Hochhaus-Führungen über Streifzüge im inzwischen Kult gewordenen Bahnhofsviertel bis zum Pilzesammeln. „Wir wollen einen Blick hinter die Kulissen gewähren“, sagt Geschäftsführerin Michelle Weise, die keine Angaben zum Umsatz macht. Zielgruppe sind vor allem Frankfurter und Menschen aus der Region, die auf die Stadt und deren Vorzüge richtig neugierig geworden sind.
Wachsende Touristenansturm
„Früher musste man sich ja noch dafür entschuldigen, in Frankfurt zu wohnen“, sagt Weise zum jahrzehntelang schlechten Image der Stadt. Nach der Beobachtung Wustmanns hat sich das Frankfurt-Bild von der Stadt mit den leblosen Bankentürmen bundesweit gewandelt. „Die Frankfurter sind inzwischen (ohnehin) superstolz auf ihre Stadt“, sagt sie.
Ausländer hatten mit Frankfurt schon immer weniger Probleme, da für sie der Flughafen oft erste Anlaufstelle in Deutschland ist. Der stetig wachsende Touristenansturm vor allem auch aus Asien hat in den vergangenen Jahren immer mehr Gäste in die Stadt gebracht. Zu den Übernachtungsrekorden hat aber auch der inländische Städtetourismus beigetragen. Im vergangenen Jahr wurden in Frankfurt allein bis Ende November fast 5,5 Millionen Gäste und 9,4 Millionen Übernachtungen gezählt – erneut ein Bestwert.
Interesse an der Frankfurter Altstadt
Kein Wunder, dass auch bei der städtischen Tourismus+Congress GmbH (TCF) Führer gefragter sind denn je. Aktuell sind fast 80 im Einsatz, die in mehr als 20 Sprachen führen. Saisonal werden bis zu 60 Stadtführungen an Wochenenden angeboten. „Das Segment Stadtführungen wächst korrespondierend zu den steigenden Gäste- und Übernachtungszahlen“, sagt Sprecherin Ines Philipp.
Auch bei der TCF stellt das Interesse an der Altstadt, die als Ziel von Frankfurts Tourismusmagern auch in Südostasien beworben wird, alles andere in den Schatten. Darum gehe es bei acht von zehn Anfragen gehe es um, sagt Philipp.
Gute Aussichten für Stadtführerin
Gute Aussichten also für Silke Wustmann, die zum Teil auch für „Stadtevents“ arbeitet. Als sie im Studium mit den ersten Führungen begann, hatte sie nur eine Handvoll von Kollegen in Frankfurt. Inzwischen sind es um die 100 – darunter ist sogar ein früherer Banker, die seinen Job aufgegeben haben. Wustmann kann inzwischen gut davon leben – und findet nebenher noch Zeit, Bücher über historische „Frankfurter Liebespaaare“ zu schreiben.
Freie Wochenenden und Urlaub sind allerdings rar. Das bringt ein Problem mit sich. „Ich komme gar nicht mehr aus Frankfurt raus“, sagt Wustmann. Zu gerne würde sie auch mal wieder andere Städte neu entdecken – zum Beispiel die Altstadt von Florenz, wo sie einst studiert hat. (dpa/lhe)