Touristen meiden derzeit die Inseln in der Ostägäis. Sie fühlen sich abgeschreckt von Fernsehbildern, die campierende Flüchtlinge am Strand zeigen.
Samos.
Rund 800 Euro pro Person für eine einstündige Bootsfahrt von der türkischen Küste zu einer der nahe gelegenen griechischen Inseln. Es geht auch für die Hälfte: 407 Euro für einen Flug von Hamburg nach Samos, inklusive sieben Tage Aufenthalt in einem kleinen, ruhigen Hotel in Strandnähe.
Das eine ist der Tarif, den Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan Schleppern für die Überfahrt zu zahlen haben. Das andere ist eines von vielen „Schnäppchen“, die Reiseveranstalter Urlaubern in Deutschland anbieten.
Denn Touristen meiden derzeit die Inseln in der Ostägäis, abgeschreckt von Fernsehbildern, die campierende Flüchtlinge am Strand zeigten. „Wir stellen zurzeit eine Zweiteilung des Marktes fest“, sagt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), auf der Reisemesse ITB in Berlin zu den Buchungen für die Sommersaison.
Das gelte für ganz Europa und Nordafrika, aber speziell auch für Griechenland. Da sind zum einen die Orte und Regionen, die in den vergangenen Monaten von der Flüchtlingskrise oder einem Terroranschlag betroffen waren. Und da sind die Urlaubsziele, die weit davon entfernt liegen.
In Griechenland, zu dessen Wirtschaftsleistung der Tourismus ein Viertel beisteuert, haben die Buchungszahlen im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Die Insel Santorin im Süden der Kykladen wird sogar so oft von Kreuzfahrtschiffen angesteuert, dass die Verwaltung im Sommer die Zahl der Tagestouristen auf 8000 begrenzen will.
Anlaufstelle für Rettungskräfte
Auf den Ägäisinseln Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros werden dagegen viel weniger Gäste erwartet als 2015. Auf Lesbos, jener Insel, die am stärksten vom Flüchtlingszustrom betroffen ist, sollen die Buchungen um 90 Prozent zurückgegangen sein. Manche Hoteliers und Tavernenbesitzer haben sich bereits damit abgefunden. Andere verdienen ihr Geld statt mit Touristen mit den freiwilligen Helfern aus aller Welt.
Die Taverne „To Kyma“ am Nordstrand von Lesbos zum Beispiel ist schon seit dem vergangenen Sommer Anlaufstelle für Rettungskräfte, aber auch für Journalisten und den einen oder anderen Flüchtling. Das Restaurant wirbt im Internet mit Bildern von Tellern mit leckerem Fisch und frischem Salat, dazu Palmen in der Sonne, dahinter das blaue Meer.
Auch im vergangenen Oktober, zu Hochzeiten des Flüchtlingszustroms, gab es dort leckeres Essen. Allerdings verging keine Stunde, in der nicht ein Trupp durchnässter, verängstigter Flüchtlinge an der Taverne vorbei in Richtung des Auffanglagers der Insel lief. Berge orangefarbener Schwimmwesten und unzählige kaputte Schlauchboote säumten die Strände. „Wer will hier noch Urlaub machen?“, fragte die Wirtin schon damals desillusioniert, „das will sich doch niemand antun“.
Flüchtlingszahlen sind zurückgegangen
So extrem wie vor fünf Monaten ist die Situation längst nicht mehr. Zum einen sind die Flüchtlingszahlen seither zurückgegangen. Zum anderen wird man des Zustroms mittlerweile besser Herr, organisiert die Unterbringung der Migranten und bewältigt die Müllberge an der Küste.
Im kleinen Ort Vathy auf Samos ist Anfang März ist vom Flüchtlingsdrama kaum etwas zu spüren. Rund 1000 Flüchtlinge halten sich dort derzeit im Durchschnitt auf. Regelmäßig bringen Fähren die Menschen nach Piräus aufs Festland, neue kommen von der türkischen Küste aus nach. Sie werden jetzt in einem Auffanglager untergebracht und sind in Vathy kaum zu entdecken.
Dennoch sollen auch die Buchungszahlen für Samos um etwa 40 Prozent zurückgegangen sein. Der Vertreter des Hotelverbands der Insel will sich dazu nicht öffentlich äußern. Flüchtlinge und Tourismus in einem Satz zu nennen, das soll nach Möglichkeit vermieden werden. Dafür sind die Bewohner umso redseliger und besorgter. Barbesitzer fragen die wenigen deutschen Gäste, wie die Stimmung in Deutschland ist und was man über die Inseln sagt.
Ein Taxifahrer beschwört die Normalität auf Samos und verweist während der Fahrt auf die Schönheit der Insel. Die Einwohnerin Rena Chatzikiriakou, die sich mit anderen Frauen bei der Flüchtlingshilfe engagiert, spricht für viele, wenn sie sagt: „Wir hatten und haben hier wirklich zu kämpfen. Aber der Besucher kriegt davon nicht viel mit. Wenn ihr uns unterstützen wollt, dann gibt es einen wunderbaren Weg: Kommt einfach hierher, um Urlaub zu machen!“ (dpa)