Eine Reise mit dem Wohnmobil durch das freundliche Schweden
Ein geplanter Sommerurlaub in Schweden zieht sich häufig gleichende Reaktionen nach sich: „Nach Schweden fahrt ihr? Da regnet es doch immer. Und teuer ist es auch.“ Eine Reise durch das Land der Elche, ohne auch nur einmal einen solchen gesehen zu haben.
Wir hatten einen Plan. Ausgetüftelt am heimischen Küchentisch. Aber dann kam alles ganz anders: Der ersehnte Elch war eine gewöhnliche Kuh, die kleine Runde eine Weltreise, der gemütliche Ausklang ein Krimi, und der auch nicht mit Kurt Wallander. Schweden mit dem Wohnmobil.
Alles beginnt mit ziemlichem Regen. Hatten doch alle die Recht gehabt, die warnten: „Nach Schweden fahrt ihr? Da regnet es doch immer. Und teuer ist es auch.“ Schauer klatschen an die Fenster der Fähre nach Gedser, so dass sich die meisten Passagiere zurückziehen und hoffen, die Welt jenseits des Meeres sei eine andere. Ist sie nicht. Dazu braucht es eine weitere Seefahrt, vom dänischen Helsingor ins schwedische Helsingborg. Schweden also.
Der Schwede grüßt mit einem „Hej!“
Auf dem ersten Campingplatz, dem Kärrlands Camping an der Küste des Kattegatt, studieren wir noch mal das Schwedisch-Wörterbuch. Doch die meisten Schweden, zumindest die aus dem Tourismus, reden perfekt Englisch und oft auch etwas Deutsch. Und als Gruß genügt allemal das gebräuchliche „Hej“. Wir begreifen auch schnell, dass man eine Campingcard haben sollte. Und schon haben wir eine, nebst einem Katalog mit allen zum Verbund gehörenden Campingplätzen – der ist sogar besser als die mitgeschleppten Caravaningführer. Eine Überfahrt zu spät erfahren wir auch, dass sechs Fährlinien Karteninhabern Rabatte einräumen.
Es folgt die obligate Erläuterung, wo und wie man duschen kann. Nach zwei Wochen Schweden sollten wir dann zahllose Varianten kennen gelernt haben: mit Karte oder mit Chip, mit Kronenstücken oder einem Schlüssel, mit programmierter Wassermenge oder beliebig. Die absolute Mehrzahl der Sanitäranlagen kann sich sehen – und nutzen – lassen, mollig warm und blitzsauber.
Tags drauf steht Göteborg auf dem Programm. Weil das Wohnmobil kein allzu großes Schiff, sondern nicht mal sechs Meter lang ist, wagen wir uns in den Trubel der Großstadt und bekommen die rollende Ferienwohnung auf einem gewöhnlichen PKW-Stellplatz unter.
Wohl genährt geht es auf Göteborg-Exkursion
Ganz in der Nähe des Fischmarktes. Fischkirche nennen die Göteborger dieses Gebäude, unter dessen Gewölbe alle Köstlichkeiten des Meeres feilgeboten werden. Auf der Empore des Kirchenschiffes lädt eine Gaststätte zum Schmaus. Zugegeben, preiswert ist sie nicht, die schwedische Gastronomie, aber ihren Preis wert. Und das ist schließlich der Vorteil eines Wohnmobilisten: Er kann für kleines Geld am eigenen Herd aus der Konserve oder vom Supermarkteinkauf kochen und leben, und braucht nur gelegentlich tiefer in die Geldbörse zu greifen.
Wohl genährt geht es auf Göteborg-Exkursion. Per Straßenbahn, was heißt, dass man ein Ticket er- und dessen Verwendung verstehen muss. Nachdem uns die Verkäuferin zum dritten Mal erläutert hat, wie der Fahrschein elektronisch entwertet wird, hat sich hinter uns eine Schlange gebildet. Aber keiner nörgelt. Alle warten, bis wir das Prinzip verstanden haben. Und ein alter Herr bietet sogar an, uns nachher in der Straßenbahn zu helfen.
Schweden-Reise führt weiter gen Osten
Solch eine Freundlichkeit begegnet uns häufig. Die Schweden nehmen es gelassen, wenn ein Auswärtiger, noch dazu einer mit einem Wohnmobil, vor ihnen plötzlich die Spur wechseln will.
Wir reisen im Uhrzeigersinn, so dass die Tour jetzt gen Osten ins Landesinnere führt, entlang zahlloser Seen, von denen manche eine solche Größe und so viele Inseln und Buchten haben, dass deren wirkliche Ausdehnung kaum zu erkennen ist. Der Göta-Kanal ist die einzige Stelle der Reise, an der sich der Wohnmobilist auf ein anderes Gefährt sehnt – auf ein Boot. Dennoch: Die Straße läuft nahezu parallel zum Kanal und an jeder Schleuse ist ein Parkplatz, auf dem man seinen „Dicken“ loswerden und dem Fluss der Dinge zuschauen kann. Grund zur Eile gibt es schließlich keinen.
An der Ostsee angekommen, geht es wieder gen Süden – mit ausgiebigem Bade-Stopp auf der Insel Öland. Immer weiter durch Wälder. Hier soll es – so steht es im Reiseführer – die meisten Elche geben. Und die vielen Verkehrsschilder, die vor dem Riesenhirsch warnen, nähren die Hoffnung auf eine Begegnung. Morgens auf dem Campingplatz aufwachen und ein Elch schaut ins Mobilfenster, das wär’s. Wir fahren langsam und suchen. Nichts. Etwas Dunkelbraunes entpuppt sich als gewöhnliche Kuh. Trotzdem stoppen wir – wenigstens ein Elch-Schild muss fotografiert werden.
Malmö ist eine schicke Hafenstadt
Unser letzter Abend sollte ganz gemütlich werden. Die Fahrkarten für die Fähre von Trelleborg nach Rostock waren gekauft, ein Parkplatz in Malmö gefunden. In einer ganz belebten Straße gleich beim Zentrum. Also ein Nachmittag in der schicken Hafenstadt: Stadtrundfahrt per Boot, Souvenirkauf in der Altstadt, Hummer auf dem Lilla Torg, dem kopfsteingepflasterten Platz, um den sich ein Dutzend Gasthäuser versammelt hat.
Aber während wir das köstliche Abschiedsmahl genießen, hat unser Wohnmobil ungebetenen Besuch. Der Schreck fährt in alle Glieder: Ein Fenster ist aufgerissen, alles liegt herum, manches fehlt. Auch die Elch-Schild-Fotos. Hat es uns also getroffen, entgegen aller Statistik, in einem der sichersten Länder der Welt. Kommissar Wallanders Kollegen sind flott und freundlich. Aber die Einbrecher waren Profis. Auf die vorsichtige Anfrage, ob denn solche Diebe manchmal gefasst werden, ernten wir lediglich einen mitleidigen Blick.
Ärgernis auf demStapel der Erinnerungen
Wieder eine Fahrt über die Ostsee. Noch liegt auf dem Stapel der Erinnerungen das Ärgernis obenauf. Vermutlich werden irgendwann mal die anderen Bilder wieder nach oben drängen: die von atemberaubenden Landschaften, von Städtchen und Kanälen, von den freundlichen Schweden. Im Souvenirladen der Fähre kaufen wir uns für die letzten Kronen einen gut gelaunten Plüsch-Elch und nennen ihn Kurt.