Bei frühlingshaften Temperaturen zum „Shopping Festival”, das Prêt-à-Porter-Mode im Sonderverkauf bietet
Su trägt ein hautenges rotes Kleid, dazu ein schwarzes Täschchen und ziemlich gewagte Pumps. Ihre hohen Wangenknochen hat sie durch eine Extraportion Make-up betont. Wie in Trance schreitet sie über den roten Teppich des Festival-Palastes von Cannes, im Blitzlichtgewitter der Fotografen für ein paar Sekunden der normalen Welt entrückt.
Ein paar Schaulustige rätseln: Wer mag diese Schönheit sein? Eine Schauspielerin aus Hongkong? Eine Jungmillionärin aus Shanghai? Eher nicht. Su ist Touristin. Aus Kasachstan. Dort arbeitet sie als Verkäuferin in einem Schreibwarengeschäft. „Ich bin mit vier modeverrückten Freundinnen hier”, erzählt sie, „so etwas wie Cannes können wir uns unmöglich entgehen lassen.”
Ich bin hier mit vier modeverrückten Freundinnen.
Was sie damit meint, sind die Schauen weltbekannter Modemacher, Galadiners, Ausstellungen, Oldtimer-Paraden und endlose Clubnächte. In Kasachstan weiß man also Bescheid über die zehn schillerndsten Tage im Januar. In Japan auch.
Der Grund: Frankreichs Tourismusbehörde hat in diesen Ländern gezielt für das Festival geworben. Den meisten Franzosen jedoch ist es völlig unbekannt, dass Cannes alle Jahre wieder zur Partyhauptstadt der Haute Couture wird.
Dabei gibt es für Mode-Fans und Shopping-Verrückte keine bessere Adresse: Wer sich für das neue Jahr vorgenommen hat, einmal wie Nicole Kidman oder Brad Pitt über den roten Teppich zu schreiten, sollte sich fix ein Flugticket besorgen. Auch wenn diesmal keine Leinwandhelden, sondern die Stars der Modewelt wie Kenzo oder Ferragamo über den roten Teppich laufen.
Manchmal ist der VIP-Pass inklusive.
Aber anders als bei den Internationalen Filmfestspielen im Mai ist man beim „Cannes Shopping Festival” mittendrin statt nur dabei.
Das „Cannes Shopping Festival” ist die einzige Veranstaltung Europas, die Prêt-à-Porter-Mode im Sonderverkauf anbietet. 700 exklusive Boutiquen veräußern Teile der Frühlings- und Sommerkollektion 2007 sowie der aktuellen Winterkollektion zu Rabatten bis zu 50 Prozent. Die meisten Shops liegen an der Rue d’Antibes und am Boulevard de la Croisette, der Uferpromenade.
Normalerweise sind die Herbergen in Cannes sündhaft teuer, doch während des Festivals bieten selbst die Hotellegenden Carlton, Majestic und Martinez, in denen Hollywoods Superstars während der Filmfestspiele absteigen, Zimmer zum Schnäppchenpreis von 90 Euro. Wer sich mit vier Sternen zufrieden zeigt, zahlt 55, drei Sterne sind ab 35 Euro zu haben.
Cannes gibt sich generös, damit niemand sein Einkaufsbudget unnötig kürzen muss. So berechtigt jede Übernachtung unabhängig von der Kategorie des Hotels zum Besuch der Modenschau des jeweiligen Tages im „Palais des Festivals”. Gäste, die Suiten buchen, erhalten sogar einen VIP-Pass inklusive Limousinentransfer, Lieferung der Einkäufe ins Hotel, einen Ausflug auf die Iles de Lérins und diversen Champagnerproben.
Das Festival startet morgen mit einer großen Schau des Maison Celine. Am 4. Januar zeigt Kenzo die Damen- und Herrenmode 2008, am Abend bitten die Häuser Chopard und Valentino ins Palme d’Or, das Gourmetrestaurant des Hotel Martinez. Der nächste Tag steht ganz im Zeichen von Jean-Louis Scherrer.
Am 6. Januar präsentiert Ermenegildo Zegna seine neue Männermode. Bis zum 12. Januar wetteifern die international besten Newcomer mit ausgefeilten Schauen um den begehrten Designerpreis des Festivals.
Wenn dann noch wie im vergangenen Jahr das Wetter mitspielt und mit Sonnenschein und Temperaturen um 16 Grad verwöhnt, ist Cannes unschlagbar. Meer und Palmen, ein Flair von unbeschwertem Vergnügen und schon eine Ahnung von Frühling. Auf der Croisette mischen sich die Flaneure unter die mal schrill, mal mega-elegant gewandeten Modefreaks. Dazu liefern die Fassaden der Grandhotels als passende Kulisse den Charme der Belle Époque.
Mittags freut sich alle Welt über ein Plätzchen an der Sonne, die Strandlokale sind rappelvoll, es duftet nach mediterranen Kräutern und gegrilltem Fisch. Es ist Januar, und trotzdem kann man mit den Füßen im Sand draußen essen, aufs Mittelmeer blicken und sich auf die nächste Modeparty im trendigen „Baôli” oder im „Hôtel 3.14” freuen. Das hat schon was.