Belgiens süße Verführer: Waffeln aus Lüttich und Brüssel
Die Geschichte belgischer Waffeln reicht zurück bis ins 18. Jahrhundert. Noch heute wird das Backwerk vereinzelt nach traditioneller Art zubereitet.
Gent.
Der Mann hat alle Hände voll zu tun: In zwölf Waffeleisen backt Yves van Maldeghem zeitgleich die goldgelben, rechteckigen Brüsseler Waffeln. Er springt von links nach rechts und passt auf, dass keines der feinen Backwerke zu lange im Eisen bleibt. „Kein Problem, da geht nichts schief, denn Waffeln gehören seit den Kindertagen zu meinem Leben“, sagt der Konditor in der Backstube des Cafés „Max“ in Gent während einer kurzen Pause. „Ich bin die sechste Generation in der Familie der Waffelbäcker.“
Van Maldeghems Vorfahren gelten bei unseren Nachbarn im Westen als Erfinder der Brüsseler Waffeln. Ob das nun so stimmt, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Auf jeden Fall begann Maldeghems Familie so um 1839 auf Jahrmärkten in Flandern, in Brüssel, Gent und Antwerpen sowie in den Niederlanden mit der Waffelbäckerei.
Von Kirmes zu Kirmes zog die Familie mit ihrer Zeltbäckerei, den Kohleöfen und gusseisernen Tiegeln. Zeitweise waren 65 Frauen und Männer beschäftigt. Das zuckrige Naschwerk aus Eierhefeteig kam gut an bei den Kirmesbesuchern. 1856 wurde das Gebäck erstmals auf einer Gourmetmesse in der belgischen Hauptstadt präsentiert.
„Um 1900 herum wurde es in der feinen Brüsseler Gesellschaft schick, seinen Gästen zur Kaffeestunde Waffeln aufzutischen“, erzählt Konditor van Maldeghem. Seitdem zählen Waffeln wie edle Pralinen, knusprige Pommes frites und alkoholreiche Bierspezialitäten zu den alltäglichen Genussfreuden in Belgien.
Um die Entstehung ranken sich mehrere Legenden
20 Quadrate im Muster vier mal fünf zeichnen die originalen Brüsseler Waffeln aus. Luftig, leicht und fluffig sollen sie sein – eine süße Schleckerei. „Schauen Sie mal genau hin“, sagt Waffelbäcker van Maldeghem und hält eine frische Waffel gegen das Licht. Die tiefen Böden der einzelnen Quadrate sind durchscheinend. Bei 200 Grad verwandelt sich der Teig in den mit Gasflammen beheizten Tiegeln innerhalb von etwa zwei Minuten in luftiges Backwerk. „Danach werden die Waffeln verfeinert“, erläutert der 46-Jährige Waffelbäcker.
Denn Brüsseler Waffeln so ganz ohne eine Beilage – das wäre nichts für süße Schleckermäuler. Stattdessen stehen im Café „Max“ 14 verschiedene Varianten zur Wahl: Waffeln mit Puderzucker, mit einem Klecks Schlagsahne und Vanilleeis, mit Sauerkirschen oder sogar mit einem Schuss Gran-Marnier-Likör.
Besucher aus aller Welt kommen ins „Max“, das im Herzen des historischen Zentrums von Gent nur ein paar Schritte von der St.-Bavo-Kathedrale mit dem weltberühmten Flügelaltar der Gebrüder Van Eyck zu finden ist. Yves van Maldeghems Waffelladen boomt zwar, dennoch sieht er die Zukunft düster. „Ich bin einer der letzten Bäcker, der den Waffelteig noch selbst macht und traditionell backt. Heute nutzen viele Cafés Fertigteig aus Fabriken, den sie dann nur noch aufbacken“, bedauert der Fachmann.
Bei Jacqueline und André Vervoort aus dem Dorf Grivegnée dreht sich auch alles um Waffeln – und zwar echte Lütticher. Dick, rundlich und mit Zimt verfeinert, die früher zu Neujahr an Freunde und Nachbarn verschenkt wurden. Um die Entstehung der Lütticher Waffeln ranken sich mehrere Legenden. Eine erzählt vom Koch des Fürstbischofs, der im 18. Jahrhundert die verlockende Köstlichkeit erfunden haben soll.
Waffeln sollten sofort verzehrt werden
„Wir wollen Traditionen bewahren“, sagt Madame Vervoort. Daher hat sie mit ein paar Getreuen 2002 den Verein Bruderschaft der Lütticher Waffel gegründet. Sie ist die Präsidentin, André der Sekretär des rührigen Vereins, dessen Mitglieder sich jährlich mit Freunden aus Belgien und Frankreich zum gemeinsamen Festmahl treffen. Lütticher Waffeln – natürlich nur jene mit Zimt – werden dabei stets als süße Nachspeise serviert.
Es gibt in Belgien heute nicht mehr viele Bäcker und Konditoren, die Waffeln nach alter Art backen. In der Altstadt von Lüttich befindet sich einer der letzten echten Waffelbäcker: Eric Michaux mit seinem winzigen Laden „Une Gaufrette Saperlipopette“ in der Rue des Mineurs. Vor drei Jahren kehrte der Konditor aus dem Nahen Osten in die Heimat zurück und besann sich auf die traditionelle Zubereitung der Gaufres de Liège, der Lütticher Waffeln.
„Bei uns gibt es mehrere Varianten, rund und auch rechteckig. Die Rechteckigen füllen wir mit Obst“, erklärt Michaux. „Alle Zutaten stammen aus der Region. Das Geheimnis der Lütticher Waffel ist der grobe Hagelzucker im Teig, der beim Backen während der drei Minuten karamellisiert und den typischen Geschmack ergibt.“
Die luftigen Brüsseler Waffeln sollten sofort verzehrt werden, Lütticher Waffeln können daheim einige Tage aufbewahrt werden. Doch am besten mundet die süße Sünde noch immer gleich nach dem Backen – lauwarm und auf die Hand, als Waffel to go. (dpa)