Wer Ecuador entdecken möchte, kann das auch mit dem Zug tun. Der „Tren Crucero“ befördert Touristen in vier Tagen von Quito nach Duran.
Quito.
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himbacalle morgens um Sieben. Ein fast menschenleerer Bahnhof auf 2800 Metern Höhe. Eine Oase der Ruhe. Kaum vorstellbar in der stets lauten und quirligen ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Nach und nach versammeln sich rund 40 europäische und nordamerikanische Touristen auf dem Bahnsteig, um mit dem „Tren Crucero“ vier Tage lang von Quito über die Anden gen Süden nach Duran (Guayaquil) an die Pazifik-Küste zu reisen.
Unspektakulär rollt der Zug auf Gleis eins ein. Große Verwunderung in den Gesichtern von Klaus und Peter, zwei enthusiastischen Trainspottern aus Stuttgart: „Im Internet sah das Bähnle doch ganz anders aus?“ „Ja“, antwortet Expeditionsleiterin Maria Parra von der staatlichen Eisenbahngesellschaft Tren Ecuador: „Der Abschnitt von El Boliche bis Quito ist noch nicht saniert. Die neuen Waggons des ,Tren Crucero’ sind zu schwer für das alte Gleisbett. Die gesamte Strecke ist noch nicht fertig. Bis dahin setzen wir auf der ersten Etappe drei leichtere ,Coches’ ein.“
Ein Luxuszug, aber kein Orient-Express
Gemächlich – mit maximal 20 Kilometern pro Stunde – zuckelt der Zug auf der „Avenida de Vulcanos“ Richtung Süden. Forscher Alexander von Humboldt prägte für die Gebirgsformationen einst den Namen „Straße der Vulkane“, denn eine Allee von aktiven und erloschenen Feuerbergen säumt die Bahntrasse. In der Ferne reckt sich der Cotopaxi mit fast 5900 Metern gen Himmel.
Am folgenden Morgen leuchten nicht nur die Augen der beiden Stuttgarter Bahnfreaks: Im Bahnhof von Lasso wartet der richtige „Tren Crucero“ abfahrbereit. Vier blank polierte rot-schwarze Waggons – gezogen von einer Diesellok. Vor zwei Jahren wurden sie in Europa gebaut. Der „Tren Crucero“ ist zwar ein Luxuszug, aber kein Orient-Express. Da der Mann am Klavier fehlt, klingt „El Condor Pasa“ aus dem Bordlautsprecher. Die Inneneinrichtung der Wagen spiegelt unterschiedliche spanische und ecuadorianische Epochen wider. Übernachtet und gegessen wird in Haziendas, denn der Zug verfügt weder über Schlafabteile noch über eine Küche.
Prestigeprojekt für 280 Millionen Dollar
Jahrelang gab es keine durchgehenden Züge mehr auf der 450 Kilometer langen schmalspurigen Route. „Für 280 Millionen US-Dollar ließ Präsident Rafael Correa die Strecke als Prestigeobjekt für den Tourismus restaurieren“, informiert Maria Parra. Der „Tren“ rattert weiter Richtung Süden zum höchsten Punkt der Strecke, dem Bahnhof Urbina, 3600 Meter über dem Meeresspiegel. In einer kargen, einsamen Landschaft wartet Baltazar Uscha, der letzte Eisschneider des Chimborazo. Täglich besteigt der gutgelaunte Endsechziger im dunklen Poncho und mit schwarzem Hut den Berg, um Eis von den Gletschern abzuschlagen. Sein weißes Lama transportiert die Blöcke hinunter ins Tal, wo sie bröckchenweise in frischen Fruchtsäften verarbeitet werden. Einen kleinen Block hat er mitgebracht und bittet seine Gäste zu probieren. Danach wickelt er ihn wieder in Stroh ein, versteckt ihn in einem Erdloch des Bahnhofgartens und trottet mit seinem weißen Lama davon. Bis zum nächsten Zugstopp in einer Woche.
Großer Bahnhof in Riobamba. Dunkle Rauchschwaden steigen gen Himmel. Vor die Waggons ist eine alte, ölgefeuerte Baldwin-Lok gespannt, die viel Aufmerksamkeit erregt. Ein Foto vor der schwarzen Schönheit, einmal den Lokführer umarmen, so beginnt der dritte Tag der Reise. Eine Stunde lang zieht das Dampfross fauchend den Zug, schlingert mit seiner schweren Last durch die kurvenreiche Gebirgswelt. Donnerstags ist Markttag in Guanote. Viele Indios in roten Ponchos strömen durch das kleine Örtchen und über die Bahngleise, um den Wocheneinkauf zu tätigen. Hier wird ein Schwein nach den Wünschen der Kundin zerlegt. Dort hat eine Frau einen Korb mit lebenden Hühnern erstanden. In einer schmalen Seitenstraße schieben sich Einheimische und Souvenirjäger an Ständen mit Filzhüten und asiatischer Synthetikmassenware vorbei. Auch die zahlreichen Schuhputzer machen gute Geschäfte. Mit lautem Hupkonzert bahnt sich der „Tren Crucero“ bei der Abfahrt seinen Weg durch das Menschengewimmel auf den Schienen. Sobald der Eisenwurm abgefahren ist, schließt die Menge auf und beansprucht die Gleise wieder als ihre Fußgängerzone.
Zickzack-Kurs entlang der Teufelsnase
Schließlich erreicht die Bahn das Highlight vergangener Jahre. Als Ecuador noch ein Reiseland für Abenteurer war, durften diese die spektakuläre Teufelsnase (Nariz del Diablo) vom Wagendach aus bestaunen. Nach vielen tödlichen Unfällen verschärfte die Bahngesellschaft die Sicherheitsbestimmungen für die Tageszüge, die das Teilstück von Alausi nach Sibambe befahren. Die Streckenführung der Teufelsnase ist ein technischer Zickzack-Trick aus dem Ingenieurzauberkoffer. „Um diesen 100 Meter hohen Felsen zu überwinden, wurden die Gleise in der steilen Wand der Teufelsnase fast übereinander verlegt und durch zwei Spitzkehren miteinander verbunden“, erklärt Maria Parra.
Am vierten Tag verlässt der „Tren“ die Anden und nimmt Kurs auf die Pazifikküste. Die Luft wird wärmer und feuchter, die Vegetation tropischer. Jetzt kommen nicht nur die Trainspotter Klaus und Peter noch einmal voll auf ihre Kosten. Auf dem letzten Abschnitt durch weites Land mit Bananen- und Reisplantagen zieht eine feuerrote amerikanische Mogul 2-6-0 aus dem Jahre 1920 den „Tren Crucero“ unter Volldampf bis zum Zielbahnhof Duran bei Guayaquil.