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Auf den Spuren von Martin Luther King in den Süden der USA

Auf den Spuren von Martin Luther King in den Süden der USA

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´Sein Traum ist lebendig» - Auf den Spuren von Martin Luther King Foto: dpa
„Ich habe einen Traum“, rief Martin Luther King vor 50 Jahren einer Menschenmenge zu: Gleichstellung, Freiheit, Frieden. Heute erinnert ein großes Denkmal in der US-Hauptstadt an den 1968 erschossenen Bürgerrechtler – aber wer ihm wirklich nahe kommen will, der muss in den Süden der USA fahren.

Washington. 

Mit weisem Blick und einem Hauch von Zufriedenheit im steinernen Gesicht schaute Abraham Lincoln von seinem weißen Marmorstuhl herab auf die Menschenmenge. Genau ein Jahrhundert zuvor hatte der damalige Präsident der USA die Sklaven befreit. Jetzt, an diesem heißen Sommertag im August 1963, versammelten sich Hunderttausende Menschen vor dem Denkmal Lincolns in Washington, um den nächsten Schritt zu fordern: vollständige Gleichstellung.

„Ich habe einen Traum“, rief der Bürgerrechtler Martin Luther King der Menschenmenge in seiner berühmten Rede zu. „Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt.“ Minutenlanger Jubel.

Wirklich nahe ist man King im Süden der USA

Die Rede in Washington machte den späteren Friedensnobelpreisträger King endgültig weltberühmt. Heute erinnert ein großes Denkmal in der US-Hauptstadt an den 1968 erschossenen Bürgerrechtler – aber wer ihm wirklich nahe kommen will, der muss in den Süden der USA fahren. Ein Großteil des privaten und öffentlichen Lebens des Pastors spielte sich in den Bundesstaaten Georgia, Alabama, Mississippi und Tennessee ab.

Alles begann hinter einer dichten grünen Hecke und blauen Rhododendren in einem Holzhaus mit Veranda und kleiner, hölzerner Hollywoodschaukel. Auburn Avenue Nummer 501, mitten im Herzen des Stadtteils Sweet Auburn der Südstaatenmetropole Atlanta. Hier wurde Michael King Junior am 15. Januar 1929 als zweites von drei Kindern geboren. Den Namen änderte sein Vater erst später, als er bei einer Reise nach Deutschland vom Werk des deutschen Theologen Martin Luther begeistert wurde. Kings Vater war Pastor und auch die Mutter arbeitete in der nahe gelegenen Ebenezer Baptist Church.

Alle wichtigen Stationen im Leben des Bürgerrechtlers

„Die Familie gehörte der oberen Mittelklasse an“, erzählt die Rangerin vom National Park Service der USA, der die kostenlosen Führungen durch das Geburtshaus organisiert. Rund ein Viertel der Einrichtung ist original, der Rest nachempfunden. „Die ganze Gegend steht unter Denkmalschutz“, erzählt die Rangerin.

Die Gedenkstätte umfasst heute auf einem Areal von nur wenigen Straßenblocks fast alle wichtigen Stationen im Leben des Bürgerrechtlers. Um die Ecke des Geburtshauses steht die Ebenizer Baptist Church, wo King von 1960 bis zu seinem Tod als Co-Pastor neben seinem Vater arbeitete und predigte. Das damals genutzte rote Backsteingebäude, an dessen Orgel Kings Mutter sechs Jahre nach seiner Ermordung ebenfalls erschossen wurde, ist heute Museum, aber in der neu gebauten Kirche gegenüber lebt die Gemeinde weiter. Noch heute besuchen Kings Schwester, die im Südwesten Atlantas lebt, und seine Kinder dort häufig die Sonntagsmesse.

Auf der anderen Straßenseite ist der Bürgerrechtler beerdigt, direkt neben seiner 2006 gestorbenen Frau Coretta. Hunderte Touristen pilgern täglich zu dem Grab der beiden. Besinnliche Ruhe bietet der Ort nicht – aus Lautsprechern am Grab klingen laut Reden von King und seiner Frau. In einem Altenheim gegenüber grillen die Bewohner fröhlich auf der Terrasse.

Ruhig und bescheiden

Atlanta ist Kings Heimat, aber seine ersten beruflichen Schritte machte er weiter westlich. In Montgomery, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Alabama, arbeitete er als Pastor der direkt neben dem Regierungssitz liegenden Dexter Avenue Church, die heute besichtigt werden kann. Hier leitete er den berühmten Boykott gegen die Rassentrennung in den öffentlichen Bussen, und hier wurde er zu einem der Anführer der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

Die 69-jährige Elaine Lee Turner aus Memphis war als Teenager in der Bürgerrechtsbewegung aktiv und hat den Friedensnobelpreisträger damals mehrfach getroffen. „Er war sehr ruhig und bescheiden und hat sehr langsam gesprochen. Er hatte eine ganz ruhige Art, sehr nahbar und ganz entspannt. Es hat ihn überhaupt nicht aus der Ruhe gebracht, wenn Menschen zu ihm gekommen sind und ihn angesprochen haben.“ Das erfuhr auch ihre heute 67 Jahre alte Schwester Joan Lee Nelson. „Als ich King das erste Mal gesehen habe, bin ich hochgesprungen und habe ihm einen Kuss auf den Hals gegeben. Einfach so.“

Teil des National Civil Rights Museum

Die beiden Schwestern haben inzwischen ein Tour-Unternehmen und führen Touristen unter anderem an bedeutende Orte der Bürgerrechtsbewegung in Memphis. Dass es ausgerechnet ihre Heimatstadt war, wo King erschossen wurde, habe sie sehr erschüttert. „In mir war damals eine völlige Leere und ich musste Memphis erstmal für eine Weile verlassen“, erzählt Lee Nelson.

Das „Lorraine Motel“, vor dessen Zimmer 306 King am 4. April 1968 im Alter von 39 Jahren von James Earl Ray erschossen wurde, ist heute Teil des National Civil Rights Museum. Pastor Samuel Kyles, der seit mehr als 50 Jahren an der Monumental Baptist Church in Memphis predigt, kann sich nur zu gut an den Tag erinnern, an dem er neben seinem Freund King auf dem Balkon vor Zimmer 306 stand. Unzählige Male hat er die Geschichte seitdem erzählt.

„Ich dachte, es wäre ein Alptraum. Blut strömte aus seinem Gesicht, niemand sprach ein Wort, überall war Blut“, erzählt der 79-Jährige. „Er lag dort auf dem kalten Beton und blutete zu Tode, ein Mann des Friedens.“ Kyles rief einen Krankenwagen. Wenig später erlag der Bürgerrechtler im Krankenhaus seinen Verletzungen. „Wir hatten ihn verloren. Was sollten wir nun machen? Ich habe jahrzehntelang damit gehadert“, sagt Kyles mit seiner langsamen, salbungsvollen Stimme. „Aber inzwischen ist mir eines klar geworden: Den Träumer kann man umbringen. Aber seinen Traum nicht. Sein Traum ist noch lebendig.“ (dpa/tmn)